«Der schwache Euro wird uns noch beschäftigen»

Reto E. Wild – 28. Juli 2022
Heinz E. Hunkeler (48), zusammen mit seiner Frau Jenny (47) seit Frühling 2013 Gastgeber im Luxushotel Kulm in St. Moritz GR, gehört zu den bekanntesten Hoteliers der Schweiz. Im Exklusiv-Interview mit dem GastroJournal zieht er eine erste Sommerbilanz und erklärt, was er von der kommenden Saison erwartet.

Heinz Hunkeler, wie stark profitierten Sie von der Hitzewelle in Europa?
Heinz Hunkeler: Sie hat für schöne Zusatzbuchungen gesorgt. Wenn es im Mittelland nur eine Woche warm ist, nützt uns das noch nicht, weil sich die Gäste auf den Garten und die Badi freuen. Doch wenn die Hitze länger andauert und die Städte aufgeheizt werden, suchen Kunden aus Basel, Mailand oder Zürich die Berge auf, um sich im Engadin abzukühlen.

Wie sieht denn die Buchungslage im Kulm in diesem Sommer aus?
Bisher hatten wir einen sehr starken Sommer, auch dank des Festivals da Jazz. Wir offerieren die Zimmer für die Künstler zu Spezialkonditionen und unsere Gäste bekommen dadurch die Möglichkeit, die Musiker hautnah zu erleben. Insgesamt sollten wir eine Auslastung von 58 Prozent erreichen. 

Das Geld verdienen Sie im Winter.
Ganz klar, da rechnen wir mit einer Auslastung von 74 Prozent. Doch der Sommer wird für uns immer wichtiger. Wir wussten, dass wir dieses Jahr weniger Schweizer Gäste als in den Coronajahren 2020/2021 begrüssen werden, weil der eine oder andere ans Meer möchte. Auf der anderen Seite sind die Amerikaner viel rascher und stärker zurückgekommen, als wir es erwarteten. Die Amerikaner sind hier wie zu den besten Zeiten. Auch aus Indien und den Golfländern haben wir viel mehr Gäste als prognostiziert. Gäste aus Japan und China sind praktisch inexistent, der russische und der ukrainische Markt ist aus bekannten Gründen komplett eingebrochen.

Wie stark beeinträchtigt der Euro das Geschäft?
Momentan profitieren wir von einem Nachholbedarf der Gäste. Sie wollen sich etwas gönnen. Doch der schwache Euro wird uns noch beschäftigen, denn auch die Reichen rechnen und lernen uns, wie man sparen soll. Doch mehr Sorgen bereiten uns die steigenden Kosten: Beim Heizöl müssen wir mit einer halben Million Franken Mehrkosten rechnen. Beim Strom dürften es gegen 400 000 Franken pro Jahr sein. Wenn wir Ende Jahr wieder Strom einkaufen müssen, müssen wir mit bis zu achtmal höheren Kosten rechnen, als wir das letzte Mal vor vier Jahren eingekauft haben. Von Mehrpreisen bei Toiletten- oder Alupapier möchte ich schon gar nicht reden. Das beschäftigt uns sehr.

Wie reagieren Sie darauf?
Wir haben die Zimmer- und F&B-Preise kontinuierlich am Markt angepasst und werden nächsten Winter wohl nochmals die Preise erhöhen. Bis jetzt haben wir die Preise je nach Produkt zwischen 7 und 12 Prozent angepasst.

Zusätzlich muss wohl auch das Kulm mit Personalengpässen kämpfen?
Wir haben 350 Mitarbeitende und im Winter eine grosse Community aus den Strand- und Ferienregionen Italiens, die seit Jahren bei uns arbeiten. Deshalb ist unsere Situation nicht ganz so angespannt. Und wir haben 25 Millionen Franken in die Mitarbeiterverpflegung und -Unterkünfte investiert. Mit dem Hotel sind drei Mitarbeiterhäuser verbunden, zwei befinden sich im Hotelpark. Die Zimmer sind mit Badezimmern, möglichst eigenen Küchen und als Einzelzimmer ausgestattet. Wenn ich heute einem Lehrling sage, er müsse sich das Zimmer teilen, wird er es nicht akzeptieren, während wir früher in Dreier- und Viererschlägen übernachteten. Früher boten wir den Mitarbeitenden drei, vier Salate, Pasta und Fleisch an. Heute sind es rund 10 verschiedene Vorspeisen, drei verschiedene Gemüse, Alternativen mit leichter Kost, vegane Gerichte und so weiter. Diese Vorteile sind für die Mitarbeitenden bei der Arbeitgeberwahl oft ausschlaggebend.

Seit Corona jagt eine Herausforderung die nächste. Wie gehen Sie damit um?
Als Hoteliers sind wir es uns gewohnt, dass kein Tag gleich ist wie der andere. Wir müssen agil und schnell reagieren können und sind sehr nah am Puls. Wir sind keine Fabrik mit vorfabrizierten Waren. Und trotz der Pandemie sind wir mit einem blauen Auge weggekommen. Ausser März/April 2020 war unser Betrieb wie geplant geöffnet. Wir standen sogar vor der besten Saison der Geschichte. Vergangenen Winter hatten wir als erstes Hotel der Schweiz 2G ausgerufen.

Welche Reaktionen erhielten Sie?
Am Anfang hatten uns nicht alle Gäste verstanden. Einzelne haben mir vorgeworfen, ich würde sie diskriminieren und fanden Zeit, dies in einer 2,5-seitigen Abhandlung zu erklären. Wir erhielten jedoch von Medien und Gästen insgesamt sehr viele positive Reaktionen. Mir war es wichtig, für die Gäste und die Mitarbeitenden mit 2G Planungssicherheit zu bieten. So konnten sich auch Gäste wohlfühlen, die zur Risikogruppe zählten. Bei den Mitarbeitenden mussten wir etwas Überzeugungsarbeit leisten, gewährten aber jenen, die sich partout nicht impfen lassen wollten, Toleranz. Diese arbeiteten nachher im Homeoffice. Kurze Zeit später hatten ohnehin viele Länder 2G eingeführt.

Mit welchem Szenario rechnen Sie für diesen Winter? Corona scheint noch nicht ausgestanden zu sein.
Es kann sein, dass im Herbst oder Winter eine weitere Welle kommt. Mich würde es jedoch erstaunen, wenn die Restriktionen nochmals so tiefgreifend wären. Wir haben alle gelernt, mit Covid umzugehen und heute einen höheren Wissensstand als damals.

Was haben Sie im Winter kulinarisch vor?
Wir befinden uns mitten in der Planung mit dem Dreisternekoch Mauro Colagreco. Die grosse kulinarische Vielfalt mit sieben Restaurants werden wir auch nächsten Winter aufrechterhalten und mit dem einen oder anderen Pop-up ergänzen. Wir geniessen kulinarisch einen guten Ruf und wollen diese Stärke pflegen.

Was wird anders sein?
Wir werden das Konzept im Gourmetrestaurant The K by Mauro Colagreco anpassen und nicht mehr die grosse Dining Experience mit 12 Gängen offerieren. Wir möchten das etwas legerer gestalten und auch preislich etwas tiefer gehen und so eine erweiterte Klientel ansprechen. Bei der Zusammenarbeit mit Claudia Canessa gehen wir bereits ins sechste Jahr. Sie, die mit einem Street-Food-Angebot gestartet ist, hat sich jedes Jahr weiterentwickelt.

Ebenfalls in der Planung dürfte das St. Moritz Gourmet Festival 2023 sein.
Ja. Das Kulm hat viele Jahre die Eröffnung übernommen und später das Finale. In St. Moritz gibt es nicht so viele Hotels, welche über die nötigen Kapazitäten für diesen Grossanlass verfügen. Nächstes Jahr wird das Finale im Kulm Hotel stattfinden und das in einem anderen Format, über das allerdings erst im September informiert wird, weil jetzt noch vieles in der Planungsphase ist.