Das im Dezember 2012 eröffnete Alpina Gstaad mit seinen 56 Zimmern, Suiten sowie zwei Residenzen gehört zu den besten Hotels im Alpenraum. Bei der Ankunft durch den langgezogenen Tunnel, an dem sich am Ende die Rezeption und eine Lounge mit Kaminfeuer befinden, fühlt man sich wie in einem James-Bond-Film.
Nun wird dieses Luxushotel laut «Blick» für 200 Millionen Franken an einen Amerikaner verkauft, der Stammgast sein soll. Die bisherigen Besitzer Jean-Claude Mimran (80) und der Einheimische Marcel Bach (69) haben für das Projekt 300 Milionen Franken investiert. Chefin im Haus mit gegen 200 Mitarbeitenden ist Nadine Friedli (40), 2024 «Aufsteigerin des Jahres» im Hotelrating von Karl Wild.
Die Berner Hoteldirektorin steht nicht gerne im Rampenlicht. Sie bezeichnet es als grösste Herausforderung, «das richtige Gleichgewicht zwischen den höchsten Qualitätsstandards zu finden, die unsere Gäste von einem Fünfsterneluxusbetrieb erwarten, und gleichzeitig eine Vorreiterrolle in der Nachhaltigkeit einzunehmen».
Friedli erwartet für dieses Jahr: «Ich glaube, der Luxusbereich tritt in eine neue Ära, in der Wohlbefinden zunehmend im Mittelpunkt der Gästeerwartungen stehen. Wir sehen dies als Chance, unseren Wellnessansatz zu erweitern und zu fokussieren – über das traditionelle Spaerlebnis hinaus, um ganzheitliche Praktiken, körperliche Aktivät und Erholung einzubeziehen.»
The Alpina Gstaad im Sommer statt Capri oder Sardinien
Das Alpina profitiert davon, dass die Sommer im Mittelmeer immer wärmer werden. Gäste, die sonst nach Sardinien, Capri oder Mykonos reisen, schätzen das frische «Dolce Vita», den 20 000 Quadratmeter grossen Hotelpark und das Six Senses Spa mit Himalaya-Salzgrotte sowie Innen- und Aussenpool. Das Essen sei ein wichtiger Bestandteil dieser Reise, sagt die Hoteldirektorin, die Livemusik mag und auch schon Bastian Baker ins Berner Oberland holte. «Unsere Gäste wünschen sich eine frische, saisonale und gesunde Küche.» Mit dem neuen Monti (15 GaultMillau-Punkte, ein Sharing-Stil-Restaurant mit der Aura einer noblen Brasserie), dem japanischen Megu (16) und dem Gourmetrestaurant Martin Göschel (18) führt das Hotel drei Spitzenrestaurants. Der Mannheimer Chefkoch Martin Göschel (53), der die Alpina-Küche seit neun Jahren prägt, erklärt die Strategie.
Martin Göschel, in der Wintersaison haben Sie die moderne Monti eröffnet. Weshalb dieser Schritt?
Martin Göschel: Ich wollte eine Auffrischung. Dort, wo jetzt das Monti ist, war früher ein einziges, grosses Restaurant. Jetzt haben wir einen Raum für das Monti und einen weiteren für das Gourmetrestaurant Martin Göschel. Wir brauchten etwas Neues, mit dem wir eine Geschichte erzählen können, ein eigenes Konzept. Das ist uns mit dem Monti gelungen. Es ist cool geworden. Jetzt haben wir im Alpina die ganze Palette zwischen Lounge, Bar und Gourmet abgedeckt.
Was ist das Konzept im Monti?
Wir setzen auf einen Brasseriestil mit Gerichten zum Teilen. Der Hauptgang kommt vom Fleischtrolley. Seezunge oder Wolfsbarsch sowie vegetarisch ist auch möglich. Das Essen soll top, aber nicht zu kompliziert sein. Wir haben bewusst drei verschiedene Fischlieferanten. Alles, was ich einkaufe – egal ob Fleisch, Gemüse oder Obst -, beziehe ich bewusst immer über mehrere Adressen.
Wieso?
Aus Sicherheits- und Qualitätsgründen, damit ich die Ware erhalte, die ich möchte. Mit drei Lieferanten können wir die Qualität steuern. Und ich möchte ein Auge auf dem Preis haben. Das ist nicht die oberste Priorität – diese hat bei uns die Qualität. Aber auch wir als Luxushotel wollen keine Fantasiepreise bezahlen.
Wie haben die Gäste auf das Monti reagiert?
Die Brasserie ist sehr gut angenommen worden. Wir haben viele grosse Tische verkauft, obwohl wir kaum Werbung betrieben haben. Die Gäste mögen es, die Gerichte zu teilen. Auch die Konzeptumstellung im Gourmetrestaurant Martin Göschel löste durchwegs positives Feedback aus.
Wie haben Sie sich organisiert?
Im Winter haben wir 35 Köche plus rund ein Dutzend Stewarding-Mitarbeitende, im Sommer sind es 28 plus 10. Die Küchen der drei Restaurants sind thematisch getrennt, mit drei verschiedenen Passstationen, an denen die Mitarbeitenden die Gerichte restaurantspezifisch abholen.
Ihr Spitzenrestaurant Martin Göschel glänzt mit 18 Gault-Millau-Punkten, aber nur mit einem Michelin-Stern. Ist ein zweiter Stern ein Thema?
Ich hatte im Tigerpalast in Frankfurt 18 Punkte, im Paradies in Ftan GR 18 Punkte und hier nun ebenfalls 18 Punkte. Weshalb das mit dem zweiten Stern nicht klappt, müsste man Michelin fragen. Vielleicht hatten wir beim Besuch der Inspektoren jedes Mal einen schlechten Tag, oder uns fehlt ein Fürsprecher. Wir haben auch nicht ein Publikum, das Google-Rezessionen schreibt. Ich würde mich für das Haus und das Team jedenfalls über einen zweiten Stern freuen.
Vorher bestand die Auswahl in Ihrem Flaggschiff zwischen einem Achtgänger und einem vegetarischen Siebengänger. Jetzt kann man zwischen drei, vier oder fünf Gängen auswählen. Wieso?
Als wir das Restaurant zum offenen, modernen Raum umgebaut haben, überlegten wir uns, wie Leute heute gerne essen gehen und was die Zukunft der Gastronomie ist. Ich gehe privat sehr viel auswärts essen und kenne beispielsweise in San Sebastian oder Barcelona viele Gourmetrestaurants. Manchmal denke ich mir, vier Stunden am Tisch zu sitzen, gerade wenn unsere beiden Kinder dabei sind, dauert zu lange. Deshalb haben wir die Essenszeit im Restaurant Martin Göschel auf maximal zwei Stunden reduziert, was wir bei vier Gängen, die letztlich mit den jeweiligen Amuse-Bouches effektiv acht Gänge sind, gut hinkriegen. Danach besuchen die Gäste vielleicht noch die Loungebar. Das ist für sie zeitgemässer und angenehmer. Und möchte der Gast länger sitzen, bestellt er sich einen Käsegang.
In Ihrem aktuellen Menü sind einige Gänge von einer Zitrusnote geprägt. Wieso?
Ich finde diese elegante und frische Note sehr angenehm. Sie passt zu den einzelnen Gerichten, egal ob Crevetten oder unser Poulet aus Gruyère. Wir schauen übrigens, dass das Fleisch aus der Schweiz kommt – je mehr aus Gstaad, desto besser. In der Loungebar beispielsweise sind die Burger aus lokalem Fleisch zubereitet. Aber die Qualität muss stimmen. Es bringt nichts, ein altes Huhn zuzubereiten, nur um sagen zu können, es sei von hier (schmunzelt).
Was sagen Sie zu Erdbeeren im Januar?
An unserem Silvesterbuffet gab es vielleicht auch die eine oder andere Erdbeere. Wir versuchen allerdings, so gut es geht, regional, lokal und saisonal einzukaufen. Wenn ich allerdings im Januar aus dem Fenster schaue, weiss ich, dass nicht so vieles lokal sein kann. Niemand möchte einen Schneeball auf dem Tisch. Wunschvorstellung und Realität stimmen nicht immer überein. Über Erdbeeren im Winter ärgern sich die Leute, bei Bananen sagt fast niemand was. Wir haben hier ein japanisches Restaurant. Sicher kaufen wir lokal ein, aber eben auch in Japan wie Wagyubeef, Blau- und Gelbflossenthun. Wenn der Gast einen Sonderwunsch hat, setzen wir diesen um.
Sie arbeiten nun im neunten Jahr im The Alpina Gstaad. Das ist in dieser dynamischen Branche eine lange Zeit.
Ja, es macht Spass, hier zu arbeiten. Es ist ein sehr gutes Haus. Ich kann meine Ideen verwirklichen und Projekte einbringen. Das ist ein wesentlicher Vorteil zu anderen Häusern in dieser Grösse, wo es vorgegebene Strukturen gibt.
Was ist derzeit die grösste Herausforderung?
Meine Ferien zu planen (lacht). Im Ernst: Wir sind ein Saisonbetrieb. Da ist es eine ständige Herausforderung, die Mitarbeitenden einzuplanen. Es braucht Zeit für Vorstellungsgespräche und Interviews sowie um Vorträge vorzubereiten.
Wie verbringen Sie die Zeit vom 12. März bis zum 5. Juni, wenn das The Alpina Gstaad geschlossen ist?
Zum grossen Teil bin ich im Saanenland. Ich wohne mit meiner Familie in einem Chalet in der Nähe des Hotels. Ich gehe ausserhalb der Saison wieder regelmässig joggen und drei Wochen nach Indonesien in die Ferien.
Sie haben in Ihrer Karriere unter vielen grossen Köchen gearbeitet. Welcher hat sie am meisten geprägt?
Technisch gesehen waren das Amador und Lumpp. Robert Mangold, der damalige Geschäftsführer des Tigerpalasts in Frankfurt, hat mir beigebracht, wie ich ein Restaurant betriebswirtschaftlich führen soll, dass es falsch ist, wenn die Kosten für das Essen 75 Prozent betragen. Am Ende muss sich ein Restaurant trotz Qualität rechnen.
Ihnen wird nachgesagt, ein netter Chef zu sein.
Der Umgang mit Köchen ist mir sehr wichtig. Man muss sicher manchmal eine Ansage machen. Für die Mitarbeitenden ist es jedoch wichtig, dass ich klar kommuniziere. Dann läuft es im operativen Bereich angenehm und ruhig ab. Am Anfang der Saison teile ich die Rezepte auf dem Handy in der Cloud. Alle können das abrufen. Heute sind es vorwiegend Bilder, die wir teilen und keine Texte.
Sie scheinen sich hier rundum wohlzufühlen.
Ich weiss nicht, ob es mir langweilig würde, wenn ich nur für fünf Tische und 20 Gäste arbeitete. Die Bandbreite und die Spielwiese, die ich hier mit den drei Restaurants habe, machen es aus. Ich kann zu den Leuten in unseren Restaurants hingehen und das Feedback abholen. Die Gäste entscheiden sich am einen Abend für das Monti und essen mit der Familie. Am nächsten Tag gehen sie zu Sushi in unser japanisches Restaurant oder für eine Pizza auf unserer Terrasse. Das macht echt Spass!