Rund um das Appenzeller Huus präsentiert sich die Postkartenschweiz: Sanfte grüne Hügel so weit das Auge reicht, Kuhglocken und je nach Zimmer Blick auf den Säntis. Die letzten Wochen und Tage vor der Eröffnung am 15. Oktober 2025 waren hektisch. Zwischenzeitlich wuselten bis zu 140 Handwerker auf der Baustelle herum und kümmerten sich um die letzten Details, damit das Huus Quell, das dritte Haus des Appenzeller Huus, und das neue Fünfsternehotel bereit waren.
General Manager Tim-Martin Weber freute sich über die Eröffnung: «Alles, was wir uns in unseren Köpfen ausgedacht haben, wird nun live.» Für den 49-Jährigen ändert sich sonst nichts, er wird weiterhin sieben Tage im Haus anzutreffen sein. Nach sechs Jahren im The Chedi in Andermatt übernahm Weber im Februar 2024 die Führung des Appenzeller Huus.
Etwas Handfestes
Investor Jan Schoch war lange Zeit in der Finanzbranche tätig. Auch heute noch ist er dort unterwegs, er erwarb jüngst eine Beteiligung an Meleleo Consulting, einem Unternehmen, das Anlageprodukte und Vorsorgelösungen anbietet. Trotzdem war die Zeit reif für etwas Neues. «Ich wollte etwas Handfestes machen», erzählt Schoch. Dass es ein Hotel geworden ist, ist Zufall. Jan Schoch ist in Speicherschwendi AR aufgewachsen.
Vor 49 Jahren haben seine Eltern im Gasthaus Bären geheiratet. Als sich 2014 die Möglichkeit ergab, den Bären zu übernehmen, hat er nicht lange gezögert und renovierte das Haus in ein charmantes Dreisternehotel mit 20 Zimmern. Einige Jahre später ergab sich die Möglichkeit, den Löwen auf der anderen Strassenseite zu erwerben. Auch diesen baute Schoch um, zu einem Viersterneboutiquehotel mit 24 Zimmern.
Bereits 2015 kaufte er die Wiese hinter dem Bären, 2021 konnte er das Land in eine Kernzone umwandeln, dann stand dem Bau des Huus Quells und vier weiteren Häusern nichts mehr im Wege. Für Schoch war es wichtig, dass die Häuser wie vor 423 Jahren gebaut werden. Aus insgesamt 6000 Bäumen aus dem Appenzell werden die fünf Häuser erstellt. «Das ist der nachhaltigste Bau der Welt», ist der 48-Jährige überzeugt.
In den vier weiteren Häusern entstehen insgesamt 50 Wohnungen und stehen den Gästen als Luxussuiten zur Verfügung. Die Häuser werden in den nächsten zwei Jahren schrittweise eröffnet. Gestartet mit einem kleinen Team von 18 Personen, ist das Appenzeller Huus auf 85 Mitarbeitende gewachsen. Letztlich sollen etwa 150 Angestellte den Gästen jeden Wunsch erfüllen.
Einzige Diät: die Digitale
Jan Schoch ist zwar kein gelernter Hotelier, aber mit viel Leidenschaft dabei. Auf die Frage, wieso er sich entschieden hat, ein Hotel zu bauen, meint er simpel: «Weil es Spass macht.» Er geht offen auf die Einheimischen zu und involvierte sie von Anfang an in die Planung. Die Häuser passen optisch ins Ortsbild: «Wir wollen kein Fremdkörper sein», stellt Schoch klar.
Die Aussenfassade des Huus Quell zieren 30 Schnitzereien mit Traditionen aus dem Appenzellerland. Die Hotelzimmer aus hellem Holz sind mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die Fensternischen laden dazu ein, sich mit einem Buch darauf zurückzuziehen oder den Säntis zu bewundern. Was aber auffällt: In den Zimmern gibt es kaum Empfang. Das ist bewusst gewollt: «Die einzige Diät, die wir anbieten, ist die Digitale», schmunzelt Schoch. Für alle, die das nicht aushalten, gibt es Wifi.
Wer abschalten will, kommt im 2200 Quadratmeter grossen Wellnessbereich auf seine Kosten. Er erstreckt sich über mehrere Stockwerke sowie einen Aussenbereich. Neun verschiedene Pools sowie neun Saunen und Dampfbäder dazu unzählige Ruhezonen mit Liegen sind nur ein Teil der Einrichtung. Ein Infinitypool mit Blick auf den Säntis und zahlreiche Behandlungsräume wie das Longivity-Konzept «L3 – Long Lasting Lifestyle Circle» runden das Angebot ab.
«Wir können den Gästen nicht versprechen, dass sie länger leben, aber wir können ihnen versprechen, dass sie gesünder sterben», erklärt Schoch. Die Wandersaison war bis anhin die stärkste Jahreszeit. Das soll sich mit der Wellness-Oase nun ändern «Mit dem Spa werden wir viele Leute anlocken», ist sich Weber sicher. Schoch geht sogar noch weiter: «Januar bis März werden unsere besten Monate.»
Im Übernachtungspreis von 500 Franken inklusive Frühstück ist für die Gäste des Huus Quell der Zutritt in den Wellnessbereich inbegriffen. Eine Nacht im Bären kostet 220 Franken, und im Löwen übernachtet man für 250 Franken. Jene Gäste bezahlen für den Zugang zum Wellnessbereich einen Tagesaufpreis von 80 Franken. Auch Externe haben die Möglichkeit, sich zu entspannen, sie müssen neben dem Tagespass eine Behandlung buchen.
Die Bar Botanicum ist offen gestaltet. Die Gäste haben die Möglichkeit, den Barkeepern beim Mixen wortwörtlich über die Schultern zu schauen. Der direkte Kontakt ist Weber wichtig. «In Fünfsternehotels wollen die Gäste mit Menschen zu tun haben», erklärt Weber. «Die Digitalisierung findet im Hintergrund statt.» Das Ziel von Weber ist, das Appenzeller Huus zu einem Hotspot in der Ostschweiz zu machen. Auch für Weinliebhaber, denn die neuen Weinkeller über zwei Etagen bilden mit 350 Quadratmetern den flächenmässig grössten Weinkeller der Schweiz, darin werden 20 000 Flaschen gelagert.
Die Bevölkerung steht hinter dem Projekt, denn auch sie profitieren davon. Der Bäcker hat eine Nachfolge gefunden, und weitere Restaurants in der Gegend öffnen wieder. Viele Einheimische kommen nach der Kirche in den Bären auf ein Getränk vorbei.
Grundsätzlich ist die Zielgruppe des Appenzeller Huus Menschen, die sich entspannen möchten. Rund 70 Prozent der Gäste sind Schweizer. Danach kämen die Deutschen und Amerikaner, ein stark wachsendes Segment seien Skandinavier, so Weber.
Wer lernen will, bekommt eine Chance
Weber glaubt nicht an den Fachkräftemangel. «Wenn die Führung gut ist, dann bleiben die Leute», sagt der 49-jährige Unternehmer. «Und wir sind dafür verantwortlich, dass es auch morgen noch Fachkräfte gibt.» Er gibt aber zu, dass es auch für das Appenzeller Huus nicht immer einfach sei, Personal zu finden. Aber man könne auch branchenfremden Personen eine Chance geben: «Wenn die Leute Lust drauf haben, dann lernen sie schnell und sie erhalten auch eine Chance bei uns», sagt Weber. Er zelebriert eine flache Hierarchie im Appenzeller Huus.
«Ich habe immer ein offenes Ohr für meine Mitarbeitenden», sagt Weber. «Wenn es ihnen gut geht, geht es den Gästen gut.» Gross gefeiert wurde die Eröffnung am 15. Oktober nicht. Was im katholischen Gonten aber fast Pflicht ist, war die Weihung des neuen Hauses durch den Pfarrer.
Im neuen GaultMillau 2026 erhält Carsten Kypke und sein Team 14 Punkte für das Restaurant Bärenstobe. (Bild: Dani Winkler)
«Wir streben mit der Bärenstobe 16 Punkte an»
Carsten Kypke, Sie arbeiten seit knapp einem Jahr im Appenzeller Huus. Wie ist Ihre Bilanz?
Carsten Kypke: Es war sehr spannend, aber auch eine grosse Herausforderung. Wir alle sind wegen der Neueröffnung hier. Mir hat es am meisten Spass gemacht, von Anfang an etwas mitzugestalten und die bestehenden Restaurants neu zu positionieren.
Was ist die Herausforderung?
Alles unter einen Hut zu bringen. Im neuen Huus Quell gibt es Frühstück, Mittags- und Abendservice, dazu Fine Dining im Bären und Zimmerservice in allen Häusern. Das Restaurant des Huus Quell befindet sich im Anbau an den Bären und hat keine eigene Küche, wir müssen also alle Konzepte aus einer Küche herausführen, das braucht eine gute Organisation. Die Küche im Löwen, wo wir Mittag- und Abendessen anbieten, wird von einem meiner Souchefs geführt und ist unabhängig.
Wo kochen Sie?
Bis jetzt stand ich im Löwen in der Küche. In Zukunft werde ich wohl am meisten im Huus Quell anzutreffen sein.
Regionalität spielte beim Bau eine grosse Rolle. Wie stark ist die Küche regional verankert?
Wir beziehen die Eier und den Käse direkt aus Gonten AI, das Fleisch stammt von einem Bauern aus dem Appenzellerland. Ich würde aber das Fleisch nicht von einem lokalen Produzenten kaufen, wenn die Qualität nicht stimmt. Da ich selbst für längere Zeit in Dubai war, habe ich es mir nicht nehmen lassen, im Quell einige asiatische Gerichte einzubauen.
Wie wird das kulinarische Erlebnis mit dem Design und der Architektur der Häuser abgestimmt?
Im Bären gibt es Fine Dining, das Restaurant ist urchig und mit viel Holz gestaltet. Der Löwen ist rustikal, die Lounge designt vom Ostschweizer Künstler Jakob Schlaepfer. Das spiegelt sich im Menü wider, man findet zum Beispiel ein Appenzeller Cordon bleu (gefüllt mit Mostbröckli und Appenzeller Käse) mit Pommes auf der Karte. Das Huus Quell soll ein modernes Luxushotel, aber traditionell mit dem Appenzellerland verbunden sein. Es gibt ein modernes Sharingkonzept mit schweizerischen und internationalen Gerichten. Auf die Gäste des Fünfsternehauses wartet ein Frühstück à la carte. Alle anderen Gäste verpflegen sich zum Frühstück am kleinen, aber feinen Buffet im Bären.
Wie verhindern Sie Lebensmittelverschwendung?
Wir servieren kleinere Portionen und bieten bei jedem Gericht Nachservice an. Beim Frühstücksbuffet fällt am meisten Abfall an, deshalb kommt nur wenig auf die Käse- und Fleischplättchen, dafür füllen wir diese öfters auf. Alle sechs Monate sammeln wir den Müll und führen es den Mitarbeitenden wieder vor Augen, danach verringert sich die Abfallmenge meistens. Wir schauen aber auch, dass wir Produkte mehrmals verwenden können, aus altem Brot zum Beispiel machen wir Knödel.
Was sind Ihre Ziele im Appenzeller Huus?
Ich möchte das Haus als eines der besten in der Ostschweiz positionieren, dass die Leute extra wegen uns herfahren und wissen: Hier kann man gut essen. Das grösste Ziel sind zufriedene Gäste – interne und externe, alles andere kommt dann von selbst. Im Fine Dining Restaurant Bärenstobe möchten wir 15 oder 16 GaultMillau-Punkte erreichen.