Marie Robert, 2019, zehn Jahre nach der Eröffnung Ihres Restaurants, haben Sie das Konzept mit den Themen eingeführt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Marie Robert: Es war das Jahr, in dem ich von GaultMillau zur Köchin des Jahres gekürt wurde. Diese Auszeichnung hat meine Kreativität beflügelt. Ich dachte, es könnte lustig sein, eine fiktive Figur zu erschaffen, die mir ähnlich ist, um nicht mich in den Vordergrund zu stellen, sondern um einen Hauch von Originalität und Humor hinzuzufügen. Ich wollte, dass die Kunden eine ganze Welt entdecken, auch wenn das Wichtigste der Geschmack ist. Und ich mag es, mit Konventionen zu brechen! (lacht)
Wie funktioniert dieses Konzept konkret?
Sechs Jahre lang, von 2019 bis 2024, habe ich mich physisch bei jedem Thema in Szene gesetzt. 2022 lautete das Thema beispielsweise «Marias Sünden», und ich habe mich von den Todsünden inspirieren lassen – von denen ich nur die Völlerei beibehalten habe – was eine Art Augenzwinkern in Bezug auf meine Persönlichkeit darstellte. Pro Jahr inszenierte ich fünf Themen. Es gab etwa die fünf Elemente, die fünf Farben und die fünf Städte. Im letzten Jahr bildete «Maria im Wunderland» den roten Faden.
Fünf Themen pro Jahr über sechs Jahre, das macht insgesamt 30 Themen und ebenso viele visuelle Welten!
Dieses Jahr werden es zum ersten Mal nur vier Themen sein, weil es eine Menge Arbeit ist, die gesamte Einrichtung des Restaurants zu ändern. Wir machen das an unseren freien Tagen. Ausserdem wird mein Geschäftspartner Arnaud Gorse Mitte Februar zum ersten Mal Vater. Wir wollen unserer Leidenschaft nachgehen, ohne dass uns die Luft ausgeht.
Sie setzen sich selbst nicht mehr auf Werbefotos in Szene, sondern ein Künstler hat nun eine Comicfigur von Ihnen geschaffen.
Es handelt sich um den Künstler Eric Buche, wir arbeiten zum ersten Mal mit ihm zusammen. Die Comicfigur ist auch auf der Speisekarte zu sehen. Am Ende des Abends bekommen alle Gäste einen kleinen Comic zum Mitnehmen, den der Künstler Buche rund um das Thema Mode gestaltet hat. Mode ist das erste Thema dieses Jahres, es wird noch bis Mitte April andauern. Der rote Faden für 2025 heisst: «Marias Leidenschaften». Um den Überraschungseffekt etwas zu kultivieren, werde ich jedoch nicht verraten, welches die drei folgenden Leidenschaften sein werden.
Sie begeistern sich für Mode? Was bedeutet das, lieben Sie Klamotten, Schuhe, Accessoires, Haute Couture?
(lacht) Ich habe einen vollen Kleiderschrank. Ich mag alles, was schön ist, und ich wechsle sehr gerne meinen Stil – mal elegant, mal Rock ’n’ Roll. Für mich gibt es jedoch eine Parallele zum Kochen: Es ist auch eine Form von Kunst! Ich finde es lustig, Chutney in Form eines Lippenstifts und eine Gänseleberpastete in Form eines Mundes auf dem Teller zu bringen. Ausserdem habe ich mir von einem Glasbläser, Diethard-Rodolphe Kastl von Equilab in Bex, einen Ring anfertigen lassen, um darauf die Amuse-Bouches zu präsentieren. Die Friandises werden auf einer kleinen Anrichte mit Miniaturkleiderbügeln serviert. Es ist ein Spiel. Die Idee ist, dass die Gäste für einen Abend abschalten können.
Was wird neben dem Geschirr noch vom jeweiligen Thema beeinflusst?
Die Karten, die Tischdekoration, die Pflanzen – es kann alles sein. Es ist eine Inszenierung, und die Elemente ändern sich je nach Thema, insbesondere die kleinen Gegenstände, die an den Fenstern hängen und das Geländer der Treppe schmücken. Im Moment sind es Miniaturhandtaschen. An den Fenstern hängen Make-up, Parfüm, Perlenketten ... Daneben haben wir mehrere Schneiderpuppen im Raum aufgestellt. Wir wechseln die Möbel ungefähr alle drei Jahre aus. Die Musik ist jedoch immer von Pink Floyd. Wir spielen eine Playlist mit mehreren Alben, und die Leute lieben es!
Kaufen Sie bei jedem Kartenwechsel auch neues Geschirr?
Es gibt einige Dinge, die ich behalte, aber ich kaufe nicht bei jedem Kartenwechsel das gesamte Geschirr neu. Und die Dekorationsgegenstände werden in einem Lagerhaus aufbewahrt.
Wie sieht es bei den Gemälden aus?
Wir arbeiten seit vier Jahren mit Ludovic Olivo, einem Graffiti-künstler aus Lausanne, zusammen. Zu Beginn hat er alle Wände des Restaurants besprüht. Jetzt sprüht er auf die grosse Wand am oberen Ende der zentralen Treppe und auf die Bilder, die in den Räumen verteilt sind. Er ist Künstler, und ich möchte ihn nicht in seinem kreativen Elan einschränken, also gebe ich ihm nur die allgemeine Linie mit ein paar Ideen vor.
Gibt es noch andere Beispiele für Handwerker und Unternehmen aus der Region, mit denen Sie regelmässig zusammenarbeiten?
Ich arbeite seit Jahren mit der Fotografin Mélody Sauvain. Vor Kurzem habe ich die Arbeit eines jungen Mannes aus Bex entdeckt und hoffe, dass ich beim nächsten Thema mit ihm zusammenarbeiten kann. Die Zusammenarbeit erfolgt je nach Thema und vor allem nach Affinität: Ich muss ein Gefühl für die Künstler haben, die ich beauftrage.
Wie viel kostet es, vier- oder fünfmal im Jahr das Dekor zu wechseln?
Ich habe keine Ahnung! Um Geld zu verdienen, muss ich mich selbst und meine Kunden glücklich machen. So hat mein Restaurant schon immer funktioniert. Ich interessiere mich nicht dafür, wie viel Geld ich in die Tasche stecken kann oder wie viel ein Dekorationsstück oder ein Teller kostet. Wenn ich glücklich bin, strahle ich eine gewisse Aura aus, und das zieht Kunden an und ermöglicht es mir gleichzeitig, dieses Konzept weiterzuführen.
Es ist also nicht das Budget, das bestimmt, wie sich das Thema materialisieren wird, sondern Ihre Ideen und Ihre Kreativität?
So ist es. Im Leben muss man geben, um besser empfangen zu können. Man muss die Dinge mit dem Herzen tun. Geld geht rein, Geld geht raus, Geld fliesst. Ich bin jemand, der etwas erschafft. Es ist mein Treuhänder, der mir sagt, ob meine «food cost» und meine Lohnkosten funktionieren. Mir ist es wichtig, dass es den Menschen, den Mitarbeitenden und den Gästen gut geht. Wenn man liebt, was man tut, kann man auch den Kunden Liebe schenken. Das ist für mich das Wichtigste. Was zählt, ist, dass die Kunden zufrieden sind und mit einem Lächeln nach Hause gehen.
Muss das Restaurant bei jedem Umbau für eine gewisse Zeit geschlossen bleiben?
Nein, wir kümmern uns selbst um die Räumung des Saals. Das geht sehr schnell, weil wir mittlerweile gut eingespielt sind. Am Samstagabend nach dem letzten Service ist in 30 Minuten alles erledigt! Am Sonntag kommt der Sprayer, um die neuen Bilder und das grosse Wandgemälde anzufertigen. Die Skizzen werden im Voraus angefertigt. Er arbeitet sehr schnell und schafft es, alles in zwei Tagen fertigzustellen. Am Mittwoch können wir dann mit dem neuen Thema in die Woche starten.
Inspiriert das Menü die Einrichtung oder bestimmt das Thema, was auf den Teller kommt?
Ich stelle mir zuerst die visuelle Welt vor und kreiere dann die Gerichte.
Was kommt auf den Teller, und wie wirkt sich das Thema auf die Präsentation der Gerichte aus?
Möglichst lokale und saisonale Produkte, aber nicht nur. Es können auch edle Produkte wie Entenstopfleber, Meeresfische oder Jakobsmuscheln dabei sein. Wir lassen unserer Kreativität freien Lauf. Das Thema beeinflusst vor allem die Art und Weise, wie wir die Gerichte präsentieren, ändert aber nicht die Kochtechnik oder wie wir ein Produkt verarbeiten.
Das Auge isst mit. Es gibt etwa Gerichte in Form von Lippenstiften und Mündern, und Sie bereiten sogar Trompe-l’œil-Gerichte zu!
Ja, wir arbeiten viel an der Optik der Gerichte, damit sie so gut wie möglich zum Thema passen. Wir spielen mit Texturen und Tricks, aber das Wichtigste ist, dass es schmeckt! Denn wenn die Leute ins Restaurant kommen, wollen sie gut essen.