Da, wo die weitläufige Badiwiese endet, erstreckt sich tiefblau der Obersee, rechts ein Strüppel Schilf, links ein Badeinstieg in den See, weit hinten umrahmen die Wägitaler und Glarner Alpen die Szenerie. Man versteht Ali Sarikaya, seit 2013 Pächter, Geschäftsführer und Wirt der Strandbeiz Stampf in Rapperswil-Jona SG, wenn er sagt: «Ja, es musste ein Gastrobetrieb am See sein! Ich bin Horgener und am See aufgewachsen und habe meist in Seebetrieben gearbeitet.»
Dass es eine Beiz in der Badi wurde, war Zufall. Er überlegte damals, was am See bezahlbar ist und stiess bei seiner Suche auf das Inserat der Gemeinde Rapperswil-Jona SG. Er hat sich beworben und den Zuschlag erhalten. Und er hatte ein überzeugendes Konzept – mit einem kleinen, kreditlosen Budget von 20 000 Franken.
«Die Strandbeiz habe ich im Rohbau übernommen», erzählt er. «Ich war davor mit Marco Però Geschäftsführer im Fischers Fritz, das ist vom Konzept her ähnlich. Dort habe ich realisiert, was machbar ist und was nicht.» Das Geld, das er im ersten Jahr verdiente, hat er in den Betrieb investiert und auch im Jahr darauf und so die Strandbeiz langsam aufgebaut.
«Wir haben zu dritt begonnen, nun sind wir im Hochsommer 17 Leute, 10 Festangestellte und 7 saisonale Mitarbeitende», sagt der gelernte Koch und Absolvent der Hotelfachschule Zürich. Schmunzelnd fügt er an: «Es heisst ja selbstständig, der einzige Druck war jener, den ich mir selbst machte.» Sein Konzept fokussiert nicht nur für Badegäste, die Strandbeiz ist von März bis Dezember von 9 bis 24 Uhr für alle geöffnet. «Mit einem rein saisonalen Badibetrieb kann man nicht überleben», sagt Sarikaya. «Man stellt es sich idyllisch vor, aber es ist viel Aufwand, und es gibt maximal 90 schöne Sommertage pro Jahr.»
Sarikaya setzt auf mehrere Standbeine
Heute ist seine Strandbeiz ein Bijou in mediterranem Shabby-Chic-Flair irgendwo zwischen Sylt, Nizza und Bodrum. Er setzt auf diverse Outlets: Der Innenbereich des bedienten À-la-carte-Restaurants (60 Plätze) schliesst an drei Seiten mit einer Glasfront ab, dazu Vinylboden in Holzdesign, moderne Holztische und weisse Holzstühle, an der Decke baumelt ein Kronleuchter. Die 60 Aussenplätze unter dem warmen Licht der orangefarbenen Sonnenschirme sind ebenso bedient. Dazu kommt ein Loungebereich mit Sofas.
Nirgends stehen wacklige Alumöbel, das Essen wird auf hochwertigem Geschirr aus Sizilien serviert, die Getränke in formschönen Gläsern, begleitet von Stoffservietten und frischen Blumen. Auch im Selbstbedienungsrestaurant (120 Plätze, mit eigenem Eingang und Toiletten) wird von richtigem Geschirr gegessen. Es läuft dort selbst im Winter sehr gut. «Da kommen viele Besucher des Erlebnisbauernhofs Bächlihof zu uns», so der Strandbeizwirt.
Sarikayas Telefon klingelt alle paar Minuten. «Sorry, wir sind am Mittag komplett ausgebucht, ich kann euch nur die Selbstbedienung anbieten», muss er die Anrufenden vertrösten. «Bei Topwetter wie heute verkaufe ich im Restaurant nicht nur die Aussen-, sondern auch die Innenplätze.» Bankette, Hochzeiten und Leidmahle sind ein weiteres Standbein. Neben der Badi steht die kleine St.-Martins-Kirche. «Fällt ein Standbein weg, funktionieren mindestens zwei andere», sagt er. Er lebt zu über 80 Prozent von einheimischen Gästen, darunter viele Stammgäste, davon entfallen übers Jahr 75 Prozent auf das À-la-carte-Geschäft, 25 Prozent auf die Badigäste.
Übernommen als Rohbau, heute ein Bijou: Ali Sarikaya im Innenbereich des bedienten À-la-carte-Restaurants mit 60 Plätzen. (Bild: Daniel Winkler)
Sein Geheimnis? Qualität und abonniert auf die Region
Dank diesem Konzept ist Sarikayas meist konsultierte App nicht Meteo, sondern die Reservationsapp. Denn auch die gastronomische Ausrichtung der Strandbeiz ist anders, jenseits von läscheligen Pommes frites und schlabbrigen Burger, und fokussiert auf hausgemachte Sommerküche von Qualität. Aktuell stehen Rindscarpaccio mit Rucolasalat, Falafel mit Blattsalat und Sauerrahmsauce, gebratene Felchenfilet, aber auch Kalbspaillard oder Ravioli al Limone und Ricotta auf der Karte. «Einzig Glace, Mayo, Ketchup und die handgemachte Pasta von Laboratorio in Wädenswil ZH kaufe ich fixfertig ein.»
Sonst ist alles selbstgemacht mit Produkten aus der Region: Das Gemüse liefert Bamert aus Tuggen SZ, das Fleisch die Joner Metzgerei Brönnimann, und den Fisch die Berufsfischer Arthur Wespe in Schmerikon SG und Adrian Gerny in Kilchberg ZH.
Gute Produkte kosten mehr, und Badibesucher kalkulieren oft knapp. «Preissensible Badigäste gehen in die Selbstbedienung», sagt Sarikaya. Er weiss, was es heisst, mit wenig Geld haushalten zu müssen. «Ich war ein Fabrikkind, ich bin mit sieben Jahren aus Gaziantep nach Horgen gekommen, wir hatten nicht viel Geld.»
Fakt ist: Preisveränderungen nehmen die Gäste überall sofort wahr. «Steigt der Kafipreis um zehn Rappen, lade ich die Damen unterm Baum Anfang Saison auf eine Runde ein, das glättet vieles», erzählt er. Für Gastronomen sei es zurzeit nicht einfach. «Aufgrund der Preiserhöhungen für Lebensmittel wird der Gewinn weniger und der Umsatz mehr, das schmälert die Marge», so Sarikaya. «Und an Glaces verdient man nichts, deswegen ist es für viele Badibeizen so schwer zu überleben.»
Lösungsorientiert – nicht problemorientiert agieren
Im Hochsommer tummeln sich bis zu 2000 Badigäste im Strandbad Stampf. Dann funktioniert die Gastrocrew nur noch wie eine gut geölte Maschinerie. Der Bestseller? «An Spitzentagen verkaufen wir 90 Kilogramm Pommes frites», sagt Sarikaya lachend. Auch andere Zahlen beeindrucken: sechs Tonnen Fisch und vier Tonnen Pouletflügeli im Jahr. Wie überall, gibt es auch in der Strandbeiz unzufriedene Gäste. «Ich nehme Kritik an», so Sarikaya. Sobald er merkt, dass jemand nicht glücklich ist, wird reagiert. Er erzählt von jenem Tisch, wo alles zu lang dauerte, es war heiss, dann war auch noch der Fisch zu lange gegart. «Es lief alles schief. Da ging ich hin und sagte, dass der ganze Tisch eingeladen sei. Das sind nun Stammgäste.»
In manchen Bereichen kämpfen Badibeizen mit den gleichen Herausforderungen wie klassische Gastrobetriebe, etwa Fachleute zu finden. Zum Glück habe er ausgebildete Kellner, erfahrene Serviceleute und Allrounder, alles langjährige Wegbegleiter, sagt Sarikaya. Doch die saisonalen Stellen gut zu besetzen, sei eine Mission. «Da ich von ihnen abhängig bin, muss ich flexibel und lösungsorientiert agieren und nicht problemorientiert.»
Zu 100 Prozent kann er sich auf seine mitarbeitende Familie verlassen: Seine Mutter Zeynep (59) kocht, seine Frau Nükhet (40) ist für die Dekoration und Hygiene zuständig, und sein Bruder Murat (39) ist Betriebsleiter. Ein wichtiger Posten, denn neben seinen 150 Prozent in der Strandbeiz arbeitet Sarikaya noch zu 56 Prozent als Fachlehrer WAH an der Oberstufe Uznach SG. «Es ist sinnvoll, Wissen weiterzugeben, und dank dem Austausch mit den 13- bis 15-Jährigen bleibe ich dran und erkenne, was ich für diese Kundengruppe im Betrieb ändern könnte.»
Die Seebadibeiz zu leiten, hat für ihn nichts an Reiz veloren. «Wichtig ist, dass man es gerne macht, den Kontakt mit Leuten mag und sich selbst nicht zu ernst nimmt.» Der Pachtvertrag mit der Stadt Rapperswil-Jona wird im Fünfjahresturnus ausgestellt, soeben hat er ihn verlängert. «Ich habe hier alles, ich bin gerne Wirt und Unternehmer und habe bei der Arbeit meine Familie um mich», führt er aus. «Und es ist für mich mega, wenn ich an den Abenden nach der Schule noch zwei Stunden hier servieren kann. Danach bin ich richtig entladen.»