Gäste, die zum ersten Mal die schwere Holztüre zum Restaurant Rosstall aufstemmen, werden sofort als solche erkannt: Ihre Augen weiten sich, und aus ihren Mündern kommt ein erstauntes «Oh!». Denn die Kombination von Restaurant, Brocante (genannt Atelier) und Werkstatt auf rund 400 Quadratmetern ist einzigartig. Sie schafft eine Atmosphäre, die einen für einen Moment der modernen Welt entrückt.
Im Mai feiert das Restaurant, in dem früher tatsächlich Pferde lebten, sein 10- Jahr-Jubiläum. «Zuerst waren hier nur mein Atelier und der Verkaufsladen», erzählt die Inhaberin, Kirchenrestauratorin und Vergolderin Christine Hofer (59). «Dann starteten wir mit der Besenbeiz.» Diese lief so gut, dass sie zusammen mit ihrem Partner, dem Gastrounternehmer Heiri Michel von Sinnvoll Gastro 2015, ein richtiges Restaurant eröffnete. Der Rosstall ist nicht Teil der Gruppe. «Das machen wir nur für uns, es ist mein Baby», sagt die Luzernerin lächelnd.
Sophie Scheiwiller (29) nickt. Sie kam 2017 hierher, arbeitete im Service, zog nach einiger Zeit weiter, bis Christine sie vor zwei Jahren anfragte, als Betriebsleiterin «heimzukommen». Ihr Partner Sandro Corrà (35) stiess vor einem guten Jahr als Küchenchef dazu. Beide kommen ursprünglich aus dem Kanton Schaffhausen. Seither arbeiten alle als familiäre Combo zusammen. «Christine und Heiri sind keine klassischen Arbeitgeber, solange wir sie begeistern, haben wir freie Hand, es ist ein Superzusammenspiel», schwärmt Sophie. «Jeder macht seinen Teil mit der gleichen Passion.»
Manche bleiben im Atelier sitzen
«Mehr Raum für Genuss» heisst das Motto, das alle Sinne ansprechen soll. Im Hausteil mit dem stilvollen Restaurant ist Holz genauso das dominierende Material wie im aufgeräumten Atelier, wo Christine die Kleinartikel passend nach Farben arrangiert. Hierher leiten die Gastgeber ihre Gäste zuerst und servieren ihnen auf Wunsch ein Apéroplättli. Es passiert selten, dass Gäste nicht durch das Atelier schlendern.
«Rund ein Drittel erwerben eine persönliche Trouvaille», so Christine. Manche bleiben zum Essen gleich im Atelier sitzen (30 Plätze) – wegen der Stimmung. Alle anderen wechseln hinüber ins Restaurant oder auf die Terrasse (je 60 Plätze), um ihren Tisch einzunehmen. An den Wochenenden ist abends jeder Tisch besetzt, insgesamt erreichen sie durchschnittlich eine Auslastung von 70 Prozent. Ob Pensionierte, Freundeskreise, Paare, der CEO oder der Bauarbeiter, alle fühlen sich im Rosstall wohl.
«Wir und unsere vier Mitarbeitenden sind nah an den Gästen, wir duzen alle, aber stets verbunden mit einem professionellen Service», so Sophie. Auch mittags läuft es gut (3-Gang-Menü ab 25 Franken). In der Umgebung finden sich diverse Firmen und ein Spital. Ob mittags oder abends, es sind viele wiederkehrende Gäste. «Die Kombi von Atelier und Restaurant verleidet unseren Gästen nie», so die Betriebsleiterin.

Das Restaurant Rossstall in Emmen LU. (Bild: Corinne Nusskern)
Keine Austern und ein neues Konzept
Corrà zelebriert eine schweizerisch-mediterrane Kulinarik, die er frisch und urchig, aber mit einem modernen Kick und mit einem Auge für Details auf die Teller bringt. «Ich arbeite vorwiegend mit regionalen Produkten und ohne Austern, Trüffel oder Kaviar», so der Küchenchef.
Saisonales ist ihm wichtiger. Salat oder ganze Weiderinder bezieht er beim allerersten Rosstall-Küchenchef und ebenso bei einem seiner besten Freunde, Christian Werder, der heute als Bauer auf der Steiweid in Urswil LU arbeitet. Gitzi, Molkenschweine und Käse liefert Toni Odermatt aus Meierskählen NW, den Fisch das Fischhuus Mühletal in Ebikon LU, das Gemüse bezieht er vom Biohof Widacher in Malters LU. «Dazu kommen viele kleinere Produzenten», sagt Sandro. «Kürzlich lief ein Bauer mit einem feinen Käse in die Küche, den habe ich ihm gerne abgekauft.»
Seit Kurzem fahren die Gastgeber ein neues Konzept im Rosstall: «Vielfalt zum Teilen auf den Tisch». Es ist ein Überraschungsmenü aus Marktprodukten in den Varianten klein, mittel oder gross mit drei, vier oder fünf Vorspeisen und ebenso vielen Hauptgängen und zwei Desserts zu 65, 75 oder 85 Franken.
Der Start erfolgt mit einem Apéroplättli. Dann geht es los, mal mit Rindshaxe gefüllten Bao Buns oder einem Spezialburger, auf dessen Briochebun das Rosstall-Logo eingebrannt ist. Das Menü gibt es auch in einer vegetarischen Variante. «Das Coole am neuen Konzept ist, dass jemand, der nicht weiss, ob er etwas mag, es so einfach mal probieren kann», führt Sandro aus. «Mag er es nicht, bedient er sich am nächsten Schälchen.»
Kornblumen und ganz viel Freiheit
Ausgedient hat auch das weisse Porzellan. «Wir servieren die kleinen Gerichte neu auf Vintage-Geschirr», sagt Sophie. In den letzten Wochen tourten sie zu dritt durch die Brockenhäuser und haben Geschirr mit dem Design und Charme vergangener Zeiten zusammengekauft. Die Expertin Christine erkennt Trouvaillen sofort. «Etwa diese Teller hier mit den vielen kleinen Kornblumen», sagt Sophie freudig und hebt einen Stapel Geschirr hoch. «Damit sind wir auch stilistisch näher am Atelier.»
Hofer unterstütze die beiden gern mit kreativen Ideen, im Gastroalltag hält sie sich jedoch meist zurück. «Sie machen es perfekt.» Etwas, das auch Sandro sehr schätzt. «Wenn ich morgens in der Küche eintreffe, kann ich kochen, was ich will. Das ist Freiheit!» Und Schweiwiller ergänzt: «Der Rosstall ist unser Leben.»