Gastronomie

In der Sommerzeit herrscht Playoff-Stimmung

Natalie Schluep – 31. Juli 2019
Die Wurstmanufaktur des einstigen Handball­­­profis Martin Stettler in Schüpfen hat sich mit 62 Wurstsorten national einen Namen gemacht. Auch in der Gastro­nomie sind diese Würste ein gern gesehenes Produkt.

Was macht ein Handballprofi nach dem Ende seiner sportlichen Karriere? Der frühere Natispieler und Stammspieler bei Wacker Thun Martin Stettler (42) hat sich vom Sport- in den Wurstprofi verwandelt. Am Anfang die Metzger- und Kochlehre, dann die höhere Fachprüfung und die Meisterprüfung und nun die Wurstmanufaktur mit 62 verschiedenen Wurstsorten. Stettlers Werdegang wurde inspiriert von einer Reise in die kanadische Stadt Quebec. Dort hatte er einige Jahre zuvor eine Metzgerei mit 60 verschiedenen Wurstsorten entdeckt. Der sportliche Ehrgeiz aus früheren Handballzeiten war entfacht: Mehr als 60 Wurstsorten sollen es sein. «So einen verrückten Typen, wie mich hat noch keiner gesehen», fügt er herzhaft lachend an. Wie die Wurst bekannt wurde
Die Idee, die 60er-Marke des kanadischen Metzgers zu knacken, war zwar schnell geboren, darauf folgte aber ein gut überlegter Aufbauprozess. «Ich kam nicht nach Hause und habe mir gesagt: So, in einem Monat habe ich 62 Sorten. Erst waren es 10 Sorten, dann 15 und 20 bis wir auf 62 waren.» Teilweise hat Stettler mit seinem 25-köpfigen Team, dabei ist auch seine Partnerin Gabriela, die Rezeptur der Würste zehn Mal getestet, bis sie niedergeschrieben wurden. Zudem war seine Wurstmanufaktur in Schüpfen BE anfangs noch nicht so bekannt. Ein Innovationspreis von Gastro Bern steigerte die regionale Bekanntheit, der Besuch in der SRF-Sendung Aeschbacher brachte den nationalen Durchbruch: «In der Zeit danach herrschte Playoff-Stimmung in der Metzgerei, die Leute standen draussen vor der Tür Schlange.» Viele von den Mitarbeitenden seien an ihren freien Tagen morgens um drei Uhr erschienen, um zu wursten. Das sei eines der schönsten Komplimente, die man als Chef bekommen könne. Man sieht es Martin Stettler an, wie stolz er auf die Leistung seines Teams ist. In diesem Fall spricht wieder der Teamplayer aus dem grossgewach- senen, ehemaligen Profihandballer. Zurzeit beliefert er 25 Gastronomiebetriebe – darunter das Restaurant Sous le pont der Reithalle in Bern, den Bogen 17 am Wohlensee oder das Hot-Dog Velo «Frau Hund». Die Wurstmanufaktur hat für diese zwar günstigere Preise als im Ladenlokal, wo ein Wurstpaar ab 6.40 Franken kostet. Laut Stettler sei es aber unmöglich, mit Preisen von Gastroanbietern auf Augenhöhe zu sein. «Wir wollen gar nicht mit der Industrieware mithalten können, weil man das Handwerk und die viele Arbeit, die wir investieren, sehen soll.» Stettler fügt an, dass seine Kunden bereit seien, angemessene Preise zu zahlen, da das verwendete Fleisch aus artgerechter Tierhaltung stamme und die Wurstmanufaktur nur mit regionalen Lieferanten arbeite. Manche Betriebe haben gemeinsam mit dem Metzger eine individuelle Wurst kreiert und entwickelt. In der Grösse und der Verpackung sei er flexibel. «Wir leben nicht von der Grösse der Würste, sondern von der Vielfalt.» In der Metzgerei würden Kunden oft verschiedene Wurstsorten kaufen, um sie anschliessend bei einem Grillabend mit Freunden zu teilen und darüber zu philosophieren. Auch im Restaurant Grill & Pasta Bären von Martin Stettler, neben seiner Wurstmanufaktur im Berner Seeland sind vorwiegend Fleischliebhaber und -geniesser zu finden. Stammspieler vs. Frischfleisch
In der Palette aus 62 verschiedenen Wurstsorten hat Stettler jeweils seine Stammspieler. Dazu gehören das Metzger-Tüüfeli, der Promillegriller, der Hawaiigriller, der Alpengriller und die Kalbsbratwurst. Wurst­trends lassen zwar keine Zweifel an den Stammspielern aufkommen, verdrängen aber ab und zu eine weniger beliebte Wurstsorte von der Bank. «Wir hatten mal eine Wurst mit Apfel und schwarzem Wodka, welche ein Jahr lang sehr gut lief, danach war der Hype abgeflacht.» Als dann neue Rezeptideen entstanden, musste sich Stettler entscheiden, ob man eine solche Wurst auf der Angebotskarte lässt und somit auch die Anzahl Wurstsorten erhöht oder ob man sie durch eine neue Art ersetzt und die Zahl 62 beibehält: Stettler wählte die zweite Variante, weshalb er jeweils einige Sorten zwingt über die Klippen zu springen. Dieses Jahr hat das Team der Wurstmanufaktur fünf neue Wurstsorten kreiert: Der Aare-Böötler aus Kalbs-, Rinds- und Schweinefleisch, der Märitgriller mit Kartoffeln, Reis und Gemüse, der Tequilla-Limettengriller, eine Wurst mit Tequilla, Limette und Pouletfleisch, der Quebecgriller mit Ahornsirup, Canadian-Bacon und Apfel als Erinnerung an seine Entdeckungsreise sowie den Smokey Chocolategriller mit bitter-süsser Schokolade. Die Wurst als Strategie
Wenn die Würste pasteurisiert wurden, sind sie 30 Tage haltbar. Obwohl Stettler seinen Kunden jeweils die besten Grilltipps mitgibt, kann es auch mal sein, dass eine Wurst nicht ganz perfekt gegrillt wurde. «Die Wurst wurde schon vorgebrüht, darum kann sie jeder zubereiten, wenn man nicht zwei komplett linke Hände hat.» Für Gastronomen ergibt sich daraus ein weiterer Vorteil: Sie können die Würste vorbereiten, in den Holdomaten stellen und dann zur Servicezeit fertig herausnehmen. Das Flussbad Schwäbis in Thun BE beispielsweise macht sich dank Stettlers Wurstangebot die Sommerzeit zur Playoff-Zeit. Sie wechseln jede Woche die angebotenen Würste, um die Badegäste «gluschtig» zu machen. Vor einem Jahr hat die Wurstmanufaktur begonnen, das Flussbad mit diversen Wurstsorten zu beliefern. «Seit dem Start des wöchentlich wechselnden Wurstangebots hat die Flussbadi das Vierfache an Würsten verkauft.» Wenn das Angebot zeitlich verknappt ist, hätten die Leute das Gefühl, sie müssten diese eine Wurst nun noch probieren, weil bald eine andere Sorte angeboten werde. Stettlers Würste heben sich von der normalen Kalbsbratwurst ab und machen die Badegäste deshalb neugierig. «Nichts gegen die Kalbsbratwurst – ich mag sie auch. Aber die erhält man überall», so Stettler. Onlineshopping, fertig, los
Seit einem Jahr sind Stettlers Würste auch in seinem Online-Laden erhältlich. «Zu Beginn war es eine riesige Datenfütterung. Wir mussten alle Sorten fotografieren, Zutatenlisten, Spezifikationen und Gewichtsangaben hinzufügen. Nun können sich unsere Kunden die Würste nach Hause liefern lassen.» Dazu werden sie schockgefroren, in Styropor oder neuerdings auch in Hanfboxen verpackt, abends zur Post gebracht und am nächsten Morgen sind sie im Briefkasten. So kommen die Produkte noch gefroren bei der Kundschaft an und warten nur noch darauf, bald auf dem Grill zu landen. ★ Drei Grilltipps: GJ Wurstmanufaktur Wuerste
(Foto: ZVG) 1. Geduld bewahren: Die Würste soll man erst auf den gut vorgeheizten Grill legen, sodass der Darm aussen knusprig wird. Legt man sie auf den kalten Grill, verzieht sich die Wurst und der Darm wird zäh. 2. Zum Produkt schauen: Die Würste sollten mehrmals gewendet und nicht aus den Augen gelassen werden. 3. Der Aare-Böötler: Diese Wurstsorte kann man sowohl kalt wie ein Cervelat auf der Schlauchboottour, heiss vom Grill wie die Bratwurst oder im Wasser gewärmt wie das Wienerli essen. Bei einer Kenterung mit dem Schlauchboot schwimmt der Aare-Böötler zudem auf der Wasseroberfläche.