«Ich bin kein Work-Life-Balancer»

Corinne Nusskern – 25. Januar 2025
Luca Carrieri war gerade mal 20, als er 2020 im aargauischen Hägglingen seinen eigenen Betrieb, das Luca Ristorante & Bottega, eröffnete. Der junge Koch geht selbstbewusst seinen Weg, setzt auf authentische Cucina italiana – und die Bewertungssterne sind ihm hold: Bei Google steht er aktuell bei 4,9.

Das Angebot war zu gut, um es abzulehnen: Die Grösse passte, das Interior gefiel und es befand sich nahe seines Wohnortes Dottikon – es war die Chance. Und Luca Carrieri (24), Schweiz-Italiener der dritten Generation mit neapolitanischen und sizilianischen Wurzeln, packte sie. Das war im Herbst 2020. Seither führt er seinen eigenen Betrieb: das Luca Ristorante & Bottega im rund 200 Jahre alten und denkmalgeschützten Dubachhaus in Hägglingen AG.

Hier zelebriert er, im hellen und warmen Ambiente zwischen historischen Steinmauern und alten Holztischen, seine authentische italienische Küche mit modernem Twist. Und er erlaubt sich dabei kleine nicht italienische Ergänzungen wie eine mediterrane Entenbrust an Cassis-Rosmarin-Sauce oder ein klassisch schweizerisches Kalbschnitzel mit Nüdeli, saisonal angepasst mit Steinpilzen oder Weissweinrahmsauce. 

Kaltwasserdusche zum Start

Mit 20 den eigenen Betrieb aufzubauen, getrauen sich nicht viele. «Zu Beginn hatte ich einige Learnings, vor allem beim Wareneinkauf», so Carrieri. «Man lernt immer etwas, wenn man in Wände läuft – aber ich laufe nie zweimal in dieselbe Wand.» Fehler versucht er heute, präventiv zu vermeiden, analysiert und reflektiert erst, bevor er etwas Neues einführt. Die Bindung durch einen eigenen Betrieb und die damit verbundenen Verpflichtungen schrecken ihn nicht ab. «Man muss arbeiten, um etwas zu erreichen, und meine Motivation lässt auch nach einem 16-stündigen Arbeitstag nicht nach», sagt er. Und fügt schmunzelnd an: «Ich bin kein Work-Life-Balancer und absolut Burn-out-untauglich.»

Anders hätte er, nur sechs Wochen nach der Eröffnung, den zweiten sechsmonatigen Lockdown kaum überstanden. Was ging ihm damals als Erstes durch den Kopf? «Ich überlegte, wie ich das Beste daraus machen kann, und stell­te einen Businessplan mit fünf möglichen Szenarien auf. Aber es war schon eine Kaltwasserdusche so kurz nach dem Start.» Worauf er immer zählen kann, damals wie heute: la famiglia. Vater Vincenzo unterstützt ihn in unternehmerischen Belangen, Mutter Luisa im Service und beim Anlassmanagement und seine Partnerin Federica in der Buchhaltung und Administration. Und die Familie wächst, vor fünf Monaten kam seine Tochter Valentina zur Welt.

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Hell und gemütlich: Das Luca Ristorante & Bottega in Hägglingen AG (Foto: Corinne Nusskern)

Koch dank dem Film «Ratatouille» 

Die ersten kulinarischen Erinnerungen verdankt er seiner Nonna Maria. Sie war stets in der Küche, bereitete alles selbst zu und hatte einen starken Einfluss auf ihn. Das Rezept zum unschlagbaren Tirami­sù auf der Karte stammt von ihr. «Der Megakick war für mich aber der Animationsfilm ‹Ratatouille›, erzählt er. «Die Einblicke in die Küche fand ich als Kind extrem spannend.» So absolvierte er einige Jahre später seine Kochlehre bei Otti Gerber im Hotel Kro­ne Lenzburg AG, dort, wo einst seine Eltern heirateten. Und nach zwei weiteren Stationen wagte er den Schritt zu seinem Luca Ristorante & Bottega (40 Plätze innen, 25 draussen plus 20 Plätze im Kellergewölbe).

Und es läuft gut für Carrieri. Seine Kunden, davon 40 Prozent Stammgäste, kommen aus allen Altersklassen, ein grosser treuer Teil aus dem Freiamt, aber sie reisen auch aus dem Seetal, aus Nidwalden oder Zürich an. Die Google-Bewertung liegt aktuell bei 4,9 Sternen.

Partner statt Lieferanten 

Wenn er über seine authentisch italienischen Gerichte spricht, geraten seine Hände in Bewegung. Die Karte soll gehoben, aber nicht abgehoben sein. «Bei uns können auch Familien einkehren.» Doch er führt bewusst keine Kinderkarte. «Wir servieren ihnen kleinere Portionen, sie dürfen bei uns normal und Gutes essen.» Und dies liest sich auszugsweise aktuell so: Fresella con bufala, rucola e datterini, Tatar di Manzo (Luma) al tartufo, Fagottini pera e ricotta al gorgonzola, Risotto alla parmigiana, Anatra rossa con risotto al limone e verdure, Tagliata di manzo all’arte di Luca. Aber auch Suppen, Salate, Pinse und Arancini finden sich auf der Karte.

Dem Junggastronomen ist es wichtig, dass man die Liebe im Teller sieht – und die Qualität der Zutaten spürt. Viele Produkte stammen aus Italien wie die San-Marzano-Tomaten, die Vesuviani-Datteltomaten, die Tropea-Zwiebeln oder die handgemachte Pasta. Die Bufala und der Mascarpone kommen aus Napoli, das Haselnussglace aus dem Piemont. Aber er setzt auch auf Regionales: Freiämter Kalb aus Wohlen, lokales und mediterranes Gemüse oder Limoncello von Mama’s Limoncelloria in Bremgarten AG. Der Vater seiner Partnerin Federica pflanzt im Schrebergarten stets zu viel an, da darf er dann Ochsenherztomaten oder Feigen holen. «Meine Produkte haben eine Geschichte», so Carrieri. «Ich habe keine Lieferanten, sondern Partner, denn das Gesamterlebnis macht es aus.»

Herzblut und spezielle Vögel

Seine grösste Herausforderung ist – wie vielerorts – die personelle Situation. In der Küche hat er einen jungen Koch angestellt, im Service arbeitet er mit festen Aushilfen auf Stundenbasis, die auch die Gäste kennen. Selbstständig einen Betrieb zu führen, ist kein Spaziergang, son­dern harte Arbeit, die Carrieri aber nicht als Arbeit empfindet. «Viel Arbeit? Das schreckt mich nicht ab, ich habe genug Power. Mich kann man auf 300 Prozent strecken!» 

Die Selbstständigkeit möchte er nicht mehr missen, nur schon, weil er so viel von den Gästen zurückbekommt. «Ich weiss, wofür ich arbeite.» Und dafür gibt er sein Herzblut. «Gastronomen sind oft spezielle Vögel, die andere Standards haben», sagt er. «Leute glücklich zu machen, ist doch genau so grossartig, wie unter der Woche frei zu haben!»