Der Zweisternekoch Stefan Heilemann vom Zürcher Restaurant Ecco im Hotel Atlantis by Giardino ist ein geerdeter Typ. Dass die Gefahr des Abhebens besteht, war dennoch voraussehbar, denn seine präzisen, frischen und nuancierten Kreationen wirken wie prädestiniert für das Gastronomieprogramm der Swiss. So genossen die Passagiere der First- und Business-Class vom 6. März bis zum 4. Juni dieses Jahres zum Beispiel Schneekrabbensalat mit Dill, Kresse und Gurke, Bisonfilet mit Haselnusscrumble, konfierter Seeteufel mit Tomaten-Escabeche und so weiter. «Insgesamt neun Gerichte haben wir für die Swiss kreiert», sagt Heilemann, die Zusammenarbeit sei für ihn persönlich eine grosse Bereicherung gewesen. «Mein Hauptantrieb war einmal etwas ganz anderes zu machen, um sich selbst neu zu finden.» Klar habe es auf dem Weg und in der Zusammenarbeit mit den Profis viele Learnings gegeben, und er würde jederzeit wieder mitmachen. «Aber beim nächsten Mal wäre ich noch selbstbewusster, denn gerade für die Luma-Hacktätschli habe ich am meisten Gästefeedback bekommen, obschon das Gericht zu Beginn viele Diskussionen ausgelöst hat», sagt er. Ist es zu banal, Hacktätschli aufzutischen? Heilemann findet das nicht, denn gerade solche und einfache Schmorgerichte wie Entenkeulen seien ideal fürs Flugzeug, denn diese könne man, im Gegensatz zu einem Rindsfilet, ohne Qualitätseinbusse zweimal erhitzen. Offensichtlich sei auch, dass der Auftritt dem Hotel, dem Restaurant und ihm selbst eine enorme Beachtung verschafft habe. «Etliche Gäste haben uns darauf angesprochen und deswegen auch einen Tisch bei uns gebucht», sagt er. Vor allem seien jedoch die Reaktionen auf Social Media spürbar geworden.
Swiss bezahlt keine Honorare für den Gastkoch
Und in welcher Form wird die Rezeptkreation honoriert? «Wir bezahlen die projektgebundenen Spesen, aber keine Honorare für den Gastkoch», sagt Jan Trachsel, der seit 2013 bei der Fluggesellschaft Swiss arbeitet und heute das Programm verantwortet. Es geht also um Ruhm und Ehre für die Köche und um Marketing für die Betriebe. Gerade für Hotels, die ihre Spitzenköche gerne als Visitenkarte des Hauses präsentieren, ist die Präsenz an Bord und die Ausstrahlung darüber hinaus unbezahlbar. «Die Werbeplattform ist hervorragend. Aber wenn nur das Sales- und Marketingteam eines Hotels begeistert ist und der Koch nicht, dann ist die Zusammenarbeit keine Win-Win-Situation. Ich möchte, dass die Gastköche voll dahinterstehen und nicht in eine Rolle gepresst werden», betont Trachsel. Im Fall von Stefan Heilemann war das der Fall, sonst hätte er nach der Aktion wohl kaum das gesamte Team als Dank zu Tisch gebeten und nochmals alle seine Rezepte vor Ort nachgekocht und so serviert, wie er sie im Restaurant servieren würde.
Auch Dennis Puchert, der Executive Menu Development Chef Switzerland der Gategroup, sass am Tisch. «Stefan ist ein Machertyp, bei dem man die Passion, die über den Beruf hinausgeht, deutlich spüren kann», sagt er. Die Zusammenarbeit sei hoch professionell und kreativ gewesen, bestätigt Puchert, dem das Bisonfilet vor Ort wie auch an Bord besonders gefallen hat.
«Die einfachsten Rezepte sind oft am kompliziertesten»
Klar sei es nicht immer einfach, die komplexen Rezepte der bekannten Köche flugtauglich umzusetzen, aber da der Prozess eng und zwischen den Köchen unkompliziert verlaufe, entstünden auch selten Missverständnisse. Vom Ablauf her ist der Aufwand für die Gastköche überschaubar. «Wir organisieren ein erstes Briefing beim Gastkoch, danach präsentiert er Swiss und der Gategroup die Rezepte, die er gemeinsam mit den Köchen vor Ort zubereitet, damit ihm diese über die Schultern schauen können. Dennis Puchert und sein Team entwickeln anschliessend das komplette Menü. Dieses wird nach fünf Wochen nochmals mit allen Beteiligten und dem Gastkoch degustiert», informiert Trachsel. Klingt einfach. «Aber oft sind es gerade die einfachen Rezepte, die für uns die kompliziertesten sind», ergänzt Puchert.
Kreativität ist gefragt, denn an Bord der Maschine sind die Handgriffe, die die Crew an jedem Gericht ausüben kann und darf, sehr limitiert. «Ein Kalbsgulasch», sagt Puchert sei zu Hause zubereitet ein sehr einfaches Gericht. «Man schöpft, und wenn die Kasserolle leer ist, ist gut. Aber wie stellt man sicher, dass jede der 600 Portionen am Tag genau gleichviel Fleisch, Sauce und Gemüse beinhaltet?», fragt er rhetorisch, denn nach mehreren Testkochversuchen kennt er die Antwort. Der Weg dorthin hat seinem Team einiges an Kopfzerbrechen bereitet. Viel einfacher seien da vermeintlich komplexe Gerichte wie etwa die Fischterrine des nächsten Gastkoches Philippe Gobet von der Ecole hôtelière in Lausanne, an der Puchert und sein Team gerade arbeiten. Soviel vorweg: «Die Steinbutt-Terrine wird mit Erbsenpüree und einer mit Ratatouille gefüllte Zucchiniblüte serviert, über die Terrine wird eine Zitronenkruste angerichtet und das Gericht mit einer Sauce Vierge ergänzt. Eine sehr schöne und klassische Kombination», meint Puchert.
Gate Gourmet bereitet täglich 60 000 Mahlzeiten zu
Seine Testküche befindet sich in Kloten, die Produktionsküche von Gate Gourmet ist übrigens die grösste Küche der Schweiz. Hier werden täglich und an Spitzenzeiten bis zu 60 000 Mahlzeiten für mehrere internationale Fluggesellschaften, unter anderem für die Swiss, zubereitet. Manchmal wird, wie bei Christian Kuchlers Balik-Lachs, die Marinade in kleinen Plastikpipetten serviert. Der Gast vollendet dann die Speise quasi selbst. Aber wie kommt die Sauce in die Pipetten? Puchert und sein Team haben so viele wie möglich gleichzeitig in ein Lochblech gesteckt, dieses über eine mit der Sauce gefüllte Gastronormschale gelegt und dann die Pipetten zusammengedrückt, sodass sie sich danach selbst aufgesogen haben. «Ein grossartiges Gericht», findet Puchert.
Jan Trachsel ist schon weiter in seiner Planung, denn die Vorlaufzeit, also vom ersten Briefing bis die Gerichte fliegen, beträgt rund neun Monate. «Für uns lohnt sich die Zusammenarbeit mit den Köchen, denn so können wir das Thema Swissness auf höchstem kulinarischem Level spielen», sagt er, und das komme bei den Gästen auch nach einer verhältnismässig langen Lebensdauer des Programmes nach wie vor sehr gut an.
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FLUGKOST – EIN PAAR FAKTEN
- Nein. Heutzutage müssen Gerichte für Airlines nicht mehr sonderlich stark gewürzt werden, da die Flugzeugbauer in Sachen Atmosphäre in der Kabine grosse Fortschritte gemacht haben, und so auch hoch über den Wolken ein nahezu normales Klima herrscht.
- Für die Zubereitung der Gerichte an Bord wird versucht, die Anzahl der Handgriffe für die Crew im Rahmen zu halten. Diese sogenannten CrewSteps variieren von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft.
- Polarisierende Gerichte wie Kutteln oder Lamm z ungen schaffen es mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht in die Firstoder BusinessClass der Swiss.
- Bei der Lebensmittelsicherheit gibt es keinen Handlungsspielraum. Sie geniesst – nicht nur für die Qualität der Gerichte – höchste Priorität. Beispielsweise muss Fisch in jedem Fall auf eine Kerntemperatur von 65 Grad, Geflügel auf 74 Grad erhitzt werden. Muskelfleisch muss nach dem Grillieren oder Sautieren komplett versiegelt werden.