«Familie kann man nicht spielen!»

Corinne Nusskern – 01. Mai 2025
Haya Molchos eklektische Küche, mit Wurzeln in Israel und kulinarischen Einflüssen aus aller Welt, zeichnet die 13 Neni-Restaurants quer durch Europa aus. Hinter der 2009 gestar­teten Erfolgsgeschichte steckt unglaublich viel Passion – und ihre Familie. Ohne die geht nichts.

Haya Molcho, was bedeutet Ihnen Familie?

Haya Molcho: Es ist das Wichtigste im Leben! Wichtiger als alles, was wir aufgebaut haben. Da­-
zu gehören auch Freunde. Aber man muss die Kontakte pflegen, das ist auch Arbeit. Meine vier Jungs haben ihre Freunde, seit sie Kinder sind, in unserer Familie mitintegriert. Eigentlich leben wir alle an einem langen Tisch, an dem sich die Generationen mischen – das ist das Leben.

2009 haben Sie mit dreien Ihrer vier Söh­ne das erste Neni-Restaurant am Naschmarkt in Wien eröffnet, heute sind es 13 europaweit. Wie waren die Anfänge?

Streng! Ich kam vom Catering und kannte mich etwas aus. Aber die Gastronomie, quasi 24 Stunden da zu sein, haben wir zusammen aufgebaut, es ist wie ein Baby. Die Kinder sind genauso Partner wie ich, jeder Einzelne ist für die Firma ganz wichtig: Family made eben. 


Der Name Neni ist ja ein Akronym Ihrer vier Söhne Nuriel, Elior, Nadiv und Ilan …

… dazu gibt es eine schöne Anekdote. Jeder meiner Söhne hat sich jeweils im Alter von 18 Jahren in Tel Aviv «Neni» auf Hebräisch irgendwo auf den Körper tätowieren lassen. So kamen wir Jahre später auf den Namen für das Restaurant.


Sie haben mal gesagt, Sie seien keine Planerin. Mussten da die Söhne ran?

Zu Beginn haben wir alle nicht geplant. Dann merkten wir, wer für was begabt ist, und brachten Struktur in die Firma. Ab da lief es. Ilan ist Geschäftsführer und kümmert sich um die Finanzen, Elior ist zuständig für das Franchising und das HR, und Nuriel macht das Marketing und Social Media, und ich mache Food. Plötzlich kamen das 25hours Hotel, der österreichische Spar und Migros zwecks Kooperation auf uns zu.


Im Zentrum, um das vieles kreist, steht Hummus, dem Ihr im deutschsprachigen Raum zu Popularität verholfen habt.

Hummus kannte man damals in Wien nicht. Heute ist er unser Markenzeichen. Der Besitzer von Spar glaubte damals, ich wolle ihm Komposterde verkaufen. Er wusste nicht was Hummus ist! Heute liebt er ihn.


Und mit dieser geballten Familienpower habt Ihr das Gastroimperium entwickelt?

Ja. Familie gibt einen so viel Energie, du musst nichts vorspielen, und du bist nie allein. Es ist so wertvoll. Man kann Familie nicht spielen!


Hand aufs Herz: Streitet Ihr auch?

Oh ja, streiten heisst, sich miteinander auseinanderzusetzen. Wenn ich mich mit meinem Mann Samy nicht mehr streite, lasse ich mich scheiden. Man muss streiten, es ist gesund. Aber immer mit Niveau. Auch im Geschäft. 


Neben kulinarischer Leiterin, Produkte­entwicklerin und Kochbuchautorin sind Sie auch das Gesicht von Neni. Setzt Sie das nie unter Druck, permanent in der Öffentlichkeit zu stehen?

Einen Familienbetrieb kann man nicht mit vier Gesichtern vertreten. Und wenn man sich dafür entscheidet, darf man nicht sagen, ich will Karriere machen, aber nicht in der Öffentlichkeit stehen. Das wäre arrogant. Heute arbeiten die Jungs aber viel mehr als ich. Obwohl sie so eng mit der Mutter arbeiten, hat jeder seine eigene Identität in der Firma und innerhalb der Familie. Das ist sehr wichtig.


Haben Ihre Söhne genauso viel Energie wie Sie?

Oh ja! Unsere Jungs hatten mit mir und Samy starke Eltern. In solchen Fällen werden die Kinder dann entweder genau zum Gegenteil oder sie werden ebenso stark. Und das sind sie. Jetzt sind ihre tollen Frauen und Enkel dazugekommen, es wird immer schöner! Ich hatte ein Leben lang nur fünf Männer, jetzt habe ich endlich die Frauen dazu. Teilweise arbeiten sie auch in der Firma mit.

 

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Wo Haya Molcho ist, pulsiert das Leben, wie hier in der Küche des Neni Zürich Langstrasse. (Foto: Corinne Nusskern)

Mit Ihnen arbeiten Menschen aus allen Kulturkreisen und Religionen. Wie schaffen Sie es, dass sich durch die aktuelle Situation in Nahost keine Fronten aufbauen?

Man muss präsent sein und die Mitarbeitenden nicht im Stich lassen. Miteinander reden und erklären, dass wir für den Frieden und für eine Zweistaatenlösung sind. Was am 7. Oktober 2023 passiert ist, hat sowohl Opfer wie Täter verändert, ich spüre eine körperliche Trauer. Bei uns arbeiten viele Muslime, und keiner von ihnen hat gekündigt. Denn für uns zählt nur, dass er oder sie ein Mensch ist – und nicht woher er kommt.


Können Sie dank dem Neni und Ihrem offenen Charakter Menschen zusammenbringen?

Ich bin ein Wüstenkind, das in den Hügeln aufgewachsen ist. Schon damals sassen wir mit der ganzen Familie an einem langen Tisch. Das hat mich geprägt, und das haben wir ins Neni transferiert – ohne zu wissen, wie es ausgeht. Damals war in Österreich alles meins–deins, nicht unseres. Das hat sich gewandelt. Neni hat da einen Trend gesetzt.


Was ist das Wichtigste, das Sie Ihren Söhnen weitergeben möchten?

Es gibt nichts, was man nicht schaffen kann, wenn man es wirklich will. Ich wünsche ihnen, dass ihnen die Leidenschaft für das Neni erhalten bleibt und nicht weggeht. Sonst sollen sie aufhören und etwas anderes machen. Das Leben ist kurz.


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Haya Molcho und die Neni-Betriebe

Ihr Mann Samy (88), Pantomime und Autor, war 2009 eigentlich dagegen, dass sie alle Gastronomen werden. Es sei eine so harte Arbeit und keine Familienarbeit. Aber wer kann eine Haya Molcho (70) aufhalten? Heute führt sie mit ihren Söhnen Nuriel (40), Elior (39) und Ilan (38) europaweit 13 Neni-Restaurants und vertreibt unter der Marke «Neni am Tisch» Produkte wie Hummus, Salate oder Falafel im Detailhandel. Die Produktionsstätte (8000 m2) steht in Gumpoldskirchen bei Wien (A). Aktuell beschäftigt Neni über 650 Mitarbeitende in ganz Europa. Nadiv (35), der jüngste Molcho-Sohn, ist Schauspieler und lebt in Los Angeles.

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