Massimo Suter, als wir in Ihrem Ristorante della Torre in Morcote TI eintreffen, servieren Sie, kassieren ein und bereiten sogar Glaceportionen vor. Wie oft kommt das in Ihrem Betrieb vor?
Massimo Suter: Ganz ehrlich: Seit meiner Nichtwahl zum Präsidenten von GastroSuisse stehe ich wieder voll im Betrieb.
Haben Sie zu wenig Angestellte?
Tatsächlich bin ich mit vier Personen unterdotiert. Bei 60 Gästen im Dreier-Turnus beschäftige ich normalerweise drei Kellner, zwei Köche und einen Spüler. Wenn wir 120 Gäste bedienen, müssen wir halt mehr rennen. Man kann es sich nicht mehr erlauben, zu viel Personal auf der Lohnliste zu führen. So kann es auch mal sein, dass wir sagen, wir hätten keinen Platz mehr, weil wir einen Besuch personell nicht bewältigen können.
Sie haben es angesprochen: Die Delegiertenversammlung in Neuenburg hat sich im Juni 2024 für Beat Imhof als Präsidenten und nicht für Sie entschieden. Wie ist Ihre Stimmungslage ein Jahr danach?
Ich bin enttäuscht, akzeptiere aber das Resultat. Ich habe mich im Vorstand von GastroSuisse zehn Jahre lang zu 100 Prozent eingesetzt und letztlich nicht erreicht, was ich wollte. Ich war bereit, den Verband in die Zukunft zu führen und habe Rückendeckung und Unterstützung erhalten, was sich in Neuenburg aber nicht in genügend Stimmen niederschlug. Ich stellte mich bewusst nur als Präsident zur Wahl, nicht aber zur Wiederwahl als Vizepräsident. Ich wollte keine Doppelkandidatur. Aber selbstverständlich gratuliere ich Beat zu seiner Wahl. Er hat gezeigt, dass er ein guter Präsident ist.
Zurück von der nationalen Verbandspolitik zum Mikrokosmos Morcote, das als schönstes Dorf der Schweiz gilt. Wie gross ist Ihr Betrieb?
Wenn wir voll ausgelastet sind, haben wir gegen 150 Plätze – verteilt auf die Seeterrasse mit 50, 15 auf dem Trottoir und 70 im Restaurant mit drei Sälen: dem Hauptsaal mit Bistro, der Bar sowie einem Grottino für private Anlässe, das wir für Einzelgäste öffnen, wenn sämtliche Kapazitäten belegt sind.
Belegung ist das richtige Stichwort: Wie gut ist das Gastgewerbe im Tessin in die Sommersaison gestartet?
Historisch beginnt diese immer an Ostern, weil wir im Tessin mehrheitlich Saisonbetriebe haben. Der Anfang war nicht so vielversprechend. Wir sind hier stark wetterabhängig. Morcote ist ein Ziel, das zu 80 Prozent von Touristen lebt. Die sind wetterempfindlich. Wenn die Sonne scheint, sind alle happy, regnet es, ist hier kaum jemand. Das ist in den Betrieben in der Stadt weniger der Fall. Unsere Hauptgäste sind zu 65 bis 70 Prozent Inlandtouristen, und diese reisen zu gegen 99 Prozent aus der Deutschschweiz an. Die haben nach den zwei Covid-Jahren Lust, mehr als See und Sonne zu sehen. Wir müssen Gegensteuer geben.
Wie?
Ich bin kein Mensch, der etwas erzwingen möchte. Der Gast entscheidet, ob er zu uns kommen und was er essen möchte. Aber ich habe ein offeneres Ohr als früher. Der Kaufentscheid ist nicht mal eine Preisfrage. Entscheidend ist das Angebot. Ich musste anerkennen, dass die Deutschschweizer nun mal Schmorbraten, Chüngel mit Polenta oder Ossobuco wollen. Das habe ich wieder auf die Karte genommen. Meine italienischen Kellner fragen mich, ob es denn in der Deutschschweiz keine Kaninchen zum Essen gibt ...
Gemäss dem Schweizer Tourismus-Monitor bilden Seen, Flüsse, Berge, die Gastronomie und das Klima eine wichtige Rolle beim Buchungsentscheid. Was sind dabei die grössten Herausforderungen?
Wir müssen versuchen, von dieser Wetterabhängigkeit wegzukommen und uns nicht nur auf die Hauptmonate zu konzentrieren. Wichtig ist, dass die Mitbewerber, die Schifffahrt und die Seilbahnen ebenfalls die Saison verlängern.
Wie ist es für den Tessiner Tourismus möglich, mittelfristig das Rekordjahr 2021 mit 2,9 Millionen Übernachtungen wieder zu erreichen?
Es braucht Zeit und Ausdauer, für die Destination und das Gastgewerbe. Zu den Hauptgründen, nicht ins Tessin zu kommen, zählt der Verkehr. Den müssen wir gemeinsam mit der Politik und den Gemeinden lösen. Das Ticino Ticket, das der Gast nach der ersten Hotelübernachtung erhält, ist sicher der richtige Weg. Das Hauptproblem ist aber die Konkurrenz in Italien. Dort sind die Preise dank tieferen Betriebskosten 20 bis 30 Prozent tiefer. Ticino Turismo lancierte eine Imagekampagne, setzt auf Digitalisierung und das Mice-Geschäft. Wir müssen uns überlegen, welche Märkte wir im Fokus haben wollen. Viel mehr als 65 bis 70 Prozent Schweizer Gäste sind nicht möglich. Fernmärkte, Deutschland oder Frankreich könnten Alternativen sein. Klar aber ist, dass wir immer auf Qualität setzen müssen.

Massimo Suter ist seit 2014 Präsident von GastroTicino. (Bild: Claudio Bader)
Wie gut geht es den Mitgliedern von GastroTicino?
Wir haben sehr unterschiedliche Mitglieder. Jene, die vor allem mit Touristen arbeiten, leiden unter der erwähnten Wetterabhängigkeit. In den Städten ist das Mittagsgeschäft, wie fast überall in der Schweiz, zusammengebrochen. Lugano wiederum hat mehr Geschäftsleute, die allerdings weniger übernachten. Trotzdem: Im Grossen und Ganzen geht es uns nicht schlecht. Manchmal sind die Gründe, weshalb ein Gast nicht mehr kommt, ganz einfach. Das kann sogar eine Tischtuchfarbe sein.
Was ist beim Essen beliebt?
Der Mittagsgast möchte schnell, gut und preiswert essen. Wir haben hier in Morcote auf 800 Metern Länge 12 verschiedene Restaurants. Da muss man sich mit dem Angebot abheben. Wir setzen auf Regionalität und Saisonalität, selbstgemachte Pasta sowie Meerfische und Austern, was sich eher an die Einheimischen richtet, denn die Tessiner wollen Alternativen zu Polenta und Chüngel. Abends gibt es eher Gäste, die es gerne schön und gediegen haben und sich beispielsweise mit einer Seezunge verwöhnen lassen.
Sie führen das Ristorante della Torre zusammen mit Ihrer Frau Monica seit zehn Jahren und sind 53 Jahre alt. Haben Sie auch schon an eine Nachfolgelösung gedacht?
Wir sind im zehnten Betriebsjahr und eröffneten unser Restaurant am 12.12.2014 um 12.12 Uhr. Das war ein Gag. Wir haben einen Sohn und ein Mädchen, die wollen nichts von Gastronomie wissen. Mein Glück ist aber, dass ich an einer Destination arbeite, die immer gefragt sein wird. Die Nachfolgeregelung ist für uns noch kein Thema.
Am 20. Mai findet die Delegiertenversammlung von GastroSuisse im Centro Esposizioni in Lugano statt. Wie immer gibt es rund um die Tagung des «Parlaments» von GastroSuisse ein Rahmenprogramm. Was dürfen die Delegierten erwarten?
Sicher eine Menge Ticinesità! Das Tessiner Flair wird im Vordergrund stehen – informell statt formell. Die Leute sollen sich im Stil von «casual chic» kleiden, also sicher ohne Frack. Es soll vermehrt ums Zusammensein und Netzwerken gehen. Am Galaabend selbst gibt es zwei musikalische Unterbrechungen ohne viel Blabla.
Was dürfen wir musikalisch erwarten?
Es soll eine Überraschung bleiben. Ich kann aber verraten, dass das Klavier eine Rolle spielt. Und sicher gibt es keine Einlagen mit Komikern und Unterhaltungskünstlern, welche die Hälfte nicht versteht. Wir werden generell wenig Reden halten. Im Vordergrund stehen gutes Essen und Netzwerken.
Was wird anders sein als bei früheren Delegiertenversammlungen?
Wir haben auf die Kosten geschaut. Das Abendprogramm soll preislich vertretbar sein, und die Leute sollen trotzdem glücklich werden. Und es findet alles am gleichen Ort statt und nicht dezentral wie beispielsweise letztes Jahr in Neuenburg. Für die Begleitpersonen gibt es am Mittwoch ein attraktives Rahmenprogramm mit einer Schifffahrt nach Melide und einem Brunch im Swissminiature. Von dort sind dann alle sehr schnell auf dem Heimweg, egal, ob sie mit dem Zug oder mit dem Auto zurückreisen. Ich hoffe sehr auf viele Teilnehmende, die die Zeit im Tessin geniessen werden.
Läuft alles nach Plan?
Ja, nervös bin ich nicht. Ich wollte die DV organisieren, weil sich kein anderer Kantonalverband zur Verfügung stellte. Ich nehme die Erfahrungen von 2018 mit und kann mit meinem OK alles eins zu eins adaptieren. Wir wollen am Dienstagabend eine bescheidene Show, das erleichtert uns die Arbeit. Beat Imhof fragte, ob wir Zeit zum Netzwerken haben werden. Ich antwortete ihm, dass er bei uns mit diesem Wunsch offene Türen einrennt. Es ist sinnvoller, wenn die Kantonalverbände an ihren GVs mehr Geld ausgeben als an der nationalen Veranstaltung, die sprachlich immer eine Herausforderung ist. Mit dieser Konstellation wird es auch kleineren Kantonen möglich sein, künftig die nationale Delegiertenversammlung auszurichten.
Sie sind seit 2014 Präsident von GastroTicino. Was sind Ihre Ziele für dieses Jahr?
Wir möchten sicherstellen, dass die Rahmenbedingungen für unsere Mitglieder gestärkt werden und dass wir den guten Draht zur Politik auch nach meiner Abwahl aus dem Verband beibehalten. Nochmals: Das Tessin ist eine touristische Destination. Je besser Ticino Turismo uns verkauft, desto mehr Gäste haben wir in den Betrieben.