«Botanische Gastronomie» live in St. Moritz erleben

Isabelle Buesser-Waser – 23. Januar 2025
Vom 27. Januar bis 1. Februar findet das St. Moritz Gourmet Festival statt. Mit ­dabei: die Gastköche Nicolas Decloedt und Caroline Baerten vom ­Restaurant Humus x Hortense im belgischen Ixelles. Sie werden im Engadin ihre botanische Küche vorstellen. Der engagierte Küchenchef im Interview.

Was sind die grössten Schwierigkeiten beim Kochen mit Pflanzen?
Diese Art von Küche ist auf mehreren Ebenen komplex. Die Gäste erwarten oft, dass Gourmetküche mit Fleisch oder Fisch in Verbindung gebracht wird, die als Luxusprodukte gelten. Wir verarbeiten diese Produkte nicht. Andererseits sind Fleisch und Fisch aus technischer Sicht reich an Umami, das sie von Natur aus in sich produzieren, was bei Pflanzen nicht der Fall ist. Es ist also viel Technik erforderlich, um die Geschmacksrichtungen zu entwickeln. Ausserdem fordert die Zubereitung von Gemüse mehr Kreativität, Überlegung und Arbeit.

 

Sie möchten eine nachhaltige Küche anbieten. Können Sie dieses Ziel erreichen? 
Ja, wir kochen schon seit 15 Jahren botanisch, lange bevor es ein Trend wurde. Wir haben das Wissen und die Fähigkeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Humus x Hortense ist das erste Gourmetrestaurant in Belgien, das eine zu 100 Prozent abfallfreie und nachhaltige Politik verfolgt. Wir haben 2022 den Nachhaltigkeitspreis von GaultMillau erhalten. Die Nachhaltigkeit drückt sich in allen Bereichen aus: Essen und Trinken, Abfallmanagement, Verzicht auf Flaschenwasser und Einwegprodukte wie Papierhandtücher, Reduzierung der Umweltverschmutzung wie etwa sanfte Mobilität für die Angestellten und umweltfreundliche Reinigungsmittel, nachhaltige Möbel und Lieferanten, die auf grüne Energie setzen.

 

Müssen Sie trotzdem manchmal Abstriche bei Ihren Werten machen? 
Nein, heute müssen wir keine Zugeständnisse mehr machen. In der Küche arbeiten wir das ganze Jahr über mit Produkten aus unserem Garten, sogar im Winter, da das Klima in Belgien milder ist als in der Schweiz. Zudem gibt es immer mehr lokale Produzenten, sodass wir eine grosse Vielfalt an Produkten anbieten können. Dank unseres Bekanntheitsgrades kommen sie selbst zu uns. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem Zitrusfruchtbauern zusammen, der eine Stunde von uns entfernt ist. Es wird also immer einfacher, unsere Werte zu verfolgen. 

 

Wie sieht es mit den Weinen aus?
Wir arbeiten ausschliesslich mit europäischen Weinen und erweitern unser Angebot zunehmend um belgische Weine. Auch wenn unser lokales Angebot noch begrenzt ist, entspricht unsere Weinkarte unseren Werten. Alle unsere Weine stammen aus biodynamischem oder biologischem Anbau.

 

Und wie setzen Sie dies bei anderen Getränken um? 
Einer unserer Schwerpunkte ist die Kreation von Cocktails, die zu unseren Gerichten passen und aus den Resten der Zutaten, die wir verwenden, und aus Extraktionen hergestellt werden. Caroline ist für diese Kreationen, ob alkoholisch oder nicht, verantwortlich.

 

Ihre Lebensgefährtin Caroline Baerten entwirft auch Geschirr. Wie setzen Sie das um? 
Caroline fertigt in ihrem Atelier Geschirr an. Sie hat sich schon vor der Eröffnung des Restaurants für Keramik begeistert. Das Material für das Geschirr stammt aus belgischen Ton­gruben. Es war daher naheliegend, ihre Kreationen in unser Projekt zu integrieren.

 

Wie viele ihrer Gäste leben vegan? 
Nur fünf  bis zehn Prozent unserer Kunden sind Veganer oder Vegetarierinnen. Die Mehrheit ist omnivor. Die Leute kommen vor allem wegen der Qualität des Erlebnisses zu uns, und der «avantgardistische» Aspekt unseres Angebots spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

 

Leiden Sie in Belgien ebenfalls unter dem Mangel an qualifiziertem Personal, wie dies in der Schweiz der Fall ist?
In der Küche läuft es recht gut, weil das, was wir tun, einzigartig ist und die Köche daran interessiert sind, mit uns zu arbeiten. Wir bieten sehr gute Arbeitsbedingungen und eine humane Managementpolitik. Die grösste Herausforderung ist es, qualifiziertes Personal im Service zu finden. 

 

Ergreifen die belgischen Verbände Massnahmen, um das Problem zu lösen, wie zum Beispiel das Avanti!-Projekt von GastroSuisse? 
Sie nehmen das Problem ernst, aber bisher wurden noch keine konkreten Lösungen gefunden. Zum Glück müssen viele Künstler eine Nebentätigkeit ausüben, um überleben zu können, sonst würde kaum jemand mehr im Speisesaal arbeiten!