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«Ich werde bedroht und gleichzeitig gefeiert»

Benny Epstein – 13. März 2021
Michel Péclard besitzt rund um Zürich 14 Gastrobetriebe. Mit umstrittenen Aussagen erlebte er zuletzt einen Shitstorm. Der Unternehmer ist besorgt um seine Mitarbeiter und kritisiert die Coronaopolitik.

«Wir wären bereit, nur geimpfte Gäste zu bewirten – Hauptsache, wir können wieder aufmachen.» Michel Péclard, nach dieser Aussage erlebten Sie einen medialen Shitstorm. Was haben Sie erlebt?
Michel Péclard: Ich habe Morddrohungen und Briefe von Leuten erhalten, die mir den Tod wünschen. Ich wurde beschimpft wie nie zuvor. Alles anonym natürlich. Ich kann das zum Glück einordnen und ertrage vieles, aber jetzt war es ganz schön heftig.

Haben Sie keine Angst, sich auf der Strasse frei zu bewegen?
Nein, das lasse ich nicht zu. Diesen Erfolg schenke ich diesen gesichtslosen Hassbriefschreibern nicht. Seit dem Wochenende vom 20. Februar sind ihre Beizen Pumpstation, Mönchhof, Schiffstation und Kiosk wieder für Take-away geöffnet.

Müssen sich Ihre Mitarbeiter aufgrund Ihrer Aussagen auch beschimpfen lassen?
Ja, das kommt leider vor. Zuletzt fuhr einer mit dem Velo vorbei und rief ‹Péclard, du Arschloch.› Als mein Mitarbeiter ‹Wie bitte?› fragte, schrie der Velofahrer: ‹Ja, und du bist auch eines.› Angenehm ist das nicht, aber ich habe starke Mitarbeiter.

Von solchen Idioten lassen die sich nicht beirren. Erhalten Sie auch Lob?
Zum Glück werden meine Aussagen bezüglich der Impfung mehrheitlich gefeiert und begrüsst. Unzählige Berufskollegen, aber auch Leute auf der Strasse bedanken sich für die Worte. Lange unterstützten Sie die Arbeit der Regierung.

Weshalb der Wandel?
Ich will meinen Job ganz sicher nicht mit jenem des Bundesrats tauschen. Ich habe grossen Respekt für die Arbeit von Alain Berset und dessen Kollegen im letzten Jahr. Aber was jetzt abgeht, verstehe ich nicht: Warum müssen die Bergterrassen nun wieder schliessen? Warum impfen wir nicht schneller? Es gibt keinerlei Berichte von Corona-Hotspots in den Bergbeizen. Und ich verstehe nicht, weshalb die Schweiz nicht mehr Geld in Impfdosen und mehr Power in eine raschere Umsetzung investiert. Stattdessen zahlt sie nun viele Härtefallgelder an Betriebe aus, die nicht überleben werden, weil sich alles so lange hinzieht.

Weiteren Ärger erleben Sie fast Woche für Woche bei Ihrer Grillbeiz Pumpstation am Zürcher Seebecken.
Es sind unsägliche Zustände. An jedem Wochenende lassen hier Teenager die Sau raus. Urinieren ins Gebüsch, zerschlagen Glasflaschen, versprayen unsere Beiz, zünden unsere Container an, hinterlassen ein Chaos. Wo sind eigentlich die Eltern?

Wie geht es Ihrem Unternehmen mit seinen 14 Betrieben?
Wir sind zum Glück gut versichert. Aber es ist unklar, ob diese Versicherung nun ausläuft oder nicht. Das beantwortet Ihre Frage aber noch längst nicht.

Die Frage ist eben auch: Wie geht es meinen Mitarbeitenden? Erzählen Sie!
Vielen geht es richtig schlecht. Sehr oft kochen Mitarbeitende bei mir zu Hause, sie wollen reden, über die Zukunft philosophieren. Ich bin mehr Seelsorger als Chef. Ihnen fehlt es an Beschäftigung und das Geld wird knapp. Wer im Service arbeitet, ist sich Trinkgeld gewohnt. Das ist nicht versichert und wird bei der Kurzarbeitsentschädigung nicht angerechnet. Mitarbeitern, die Kinder haben, ergänzen wir den Lohn nach wie vor auf 100 Prozent.

Was raten Sie als Seelsorger Ihren Mitarbeitenden?
Mittlerweile nichts mehr. Ich bin selbst sehr ernüchtert. Ich habe kein Verständnis mehr dafür, wie der Bund mit der Situation umgeht.

Wie viele Mitarbeitende beschäftigten Sie vor der Corona-Krise? Wie viele sind es jetzt noch?
Zurzeit sind es rund 130 Vollzeitstellen. Wir haben keine Kündigungen aufgrund der Coronakrise ausgesprochen. Vor einem halben Jahr hätte Ihr spektakuläres Grossprojekt «NZZ am Bellevue» eröffnen sollen.

Ist die Vorfreude noch da?
Ja, ich bin total überzeugt. Wir testen laufend die Küche, das Konzept steht. Leute aus unterschiedlichen Alters- und Einkommensschichten durften schon Probe essen. Vom Gärtner bis zum Topkader – alle sind begeistert. Ich glaube, das Projekt ist genau das, was man nach Corona erleben will: Es schafft Emotionen und projiziert die Menschen in eine andere Welt. Ich habe höchstens Angst, dass die Leute zu lange sitzen bleiben.

Wie sicher sind Sie, dass Sie nach der Krise all Ihre Betriebe wieder öffnen?
Ganz sicher. Ich hoffe, dass im Sommer die Betriebe wieder offen sein dürfen. In den meisten unserer Betriebe ist der Sommer die wichtigste Jahreszeit. Betriebe wie NZZ am Bellevue oder die Hafenbeiz würden wir allenfalls erst im Herbst wieder öffnen, zumal diese für die kühleren Abende prädestiniert sind. Und jene Betriebe, in denen wir Geld verloren, sind wir zum Glück los – namentlich das Pic-Chic, der Schober und der Alpenblick in Arosa.